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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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pflegte: «Wer vom Leib macht üblen Brauch, was er denkt, denkt andrer auch.» Löst man den Anakoluth auf, bedeutet das: «Wer seinen Körper schlecht gebraucht – also unredlich lebt –, glaubt, dass alle anderen auch so schlecht denken wie er.» Menschen dieses Schlages setzen sich damit den Launen des Zufalls aus, welcher viel öfter sein Spielchen mit ihnen treibt, als sie für möglich halten.
    Doch Peniceks Irrtum war uns zum Verhängnis geworden. Er hatte geplant, uns und Opalinski umzubringen, und dann wollte er wahrscheinlich Atto entführen und ihn foltern lassen, um ihm alle Informationen zu entlocken. Dieser Plan war zwar gescheitert, aber wie hatten wir nur glauben können, der falsche Schleppfuß würde das Feld räumen, ohne sein Werk zu vollenden? Während der letzten Fahrt vom Ort Ohne Namen in die Stadt hatte er mitbekommen, dass Simonis, der Abbé und ich dorthin zurückkehren mussten, um das Protokoll aufzugeben. Er wusste also, wo und wann er unserer gesamten Gruppe habhaft werden konnte. Freilich konnte er uns jetzt nicht sofort aus dem Weg räumen: Es waren Beamte der Kaiserlichen Kammer zugegen, und die Sache musste den Schein der Vorschriftsmäßigkeit wahren. Natürlich war die Anklage, welche diese Häscher gegen uns erhoben, falsch. Hinter dem Schauspiel unserer Verhaftung verbarg sich ein sorgfältig geplanter Hinterhalt, und in diesem Moment erkannte ich auch jenen Garden, an dem mir etwas vertraut erschienen war: Es waren die schwarzen, tiefliegenden Augen des mit einem Taschentuch maskierten Wesens, das mich im Prater getötet hätte, wenn mich nicht erst Hristos Schachbrett und dann, Ironie des Schicksals, Peniceks Erscheinen gerettet hätten. Wir waren verloren.
    «Wir haben nichts getan, Ihr könnt uns nicht verhaften», sagte mein Gehilfe mit ruhiger Stimme, nachdem er die ganze Mannschaft aufmerksam studiert hatte: zwei Amtspersonen mit angespannten, blassen Gesichtern, der Derwisch und fünf Garden, mit Sicherheit seine Häscher.
    Nun, da wir verhaftet waren, schickten sich die Kaiserlichen Beamten an zu gehen. Fragen nach der Flucht der Raubtiere stellten sie natürlich nicht. Jetzt ging es um weit mehr.
    «Schweig, du Hund», entgegnete Ciezeber verächtlich. «Keiner der Männer, die bei mir sind, versteht die Sprache, die du sprichst, und ich habe keine Ohren für das, was Würmer ausgären.»
    «Und wie kommt es», fragte Atto, in dem Angst und Wissbegier miteinander stritten, «dass ein Derwisch meine Sprache so gut beherrscht?»
    Ciezeber, der ihm teilweise den Rücken zuwandte, drehte sich nun langsam um, ein boshaftes Lächeln huschte über sein Gesicht. Es war, als hätte erst jetzt einer von uns dreien etwas Sinnvolles gesagt. Dann antwortete er:
    «Ich gehöre zu denen, die alle Sprachen sprechen, die jedes Alter haben, die aus allen Ländern der Erde stammen», sagte er. Dann gab er seinen Männern ein Zeichen, uns zu entwaffnen.
    Die Eitelkeit des Derwischs, der mit diesem Wortwechsel kostbare Augenblicke vergeudet hatte, bot uns die letzte Rettungsmöglichkeit. Noch eine Sekunde, und es wäre zu spät gewesen.
    Als Simonis losschnellte, vermochte keiner unserer Feinde zu begreifen, was geschah. Sein Fußtritt gegen den Kopf des Schergen, der ihm am nächsten stand, ließ dessen Kiefer übel krachen; doch unmittelbar vor diesem Angriff hatte Simonis seine wahrscheinlich schon geladene Pistole aus dem Säckchen geholt und mir zugeworfen. Etwa eine Sekunde später schoss einer der fünf auf mich und verfehlte mich um ein Haar, nichtsdestoweniger spürte ich, wie sich ein glühendes Partikel in meinen linken Schenkel bohrte. Ich konnte nur hoffen, dass es nichts Arges war.
    In den folgenden drei Sekunden ereigneten sich tausend Dinge auf einmal: Abbé Melani wurde ohnmächtig; das Gesicht des Wachmanns, den Simonis getroffen hatte, schwoll gefährlich an, er hielt sich schwankend die Hände vor den Mund und schien außer Gefecht; ich schoss einem Garden zu meiner Linken in den Kopf, wusste jedoch nicht genau, ob ich ihn getroffen hatte, und ließ überdies die Pistole fallen; nach dem erfolgreichen Fußtritt vollführte mein Gehilfe nun mit seiner ganzen Länge und einem Rücken, dem nichts Krummes mehr eignete, eine rasante Drehung um die eigene Achse, während deren er dem nächststehenden Kombattanten einen Messerstich versetzte. Dieser hatte sein Schwert nicht mehr rechtzeitig ziehen können, und obwohl er verhindern konnte, dass ihm der Bauch aufgeschlitzt

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