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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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England oder Holland kommt, um Frankreich zu ruinieren.»

    So ist es. Der Tod des Allerchristlichsten Königs war genau das, worauf die Freunde Palatinos gewartet hatten. Schon wenige Monate später betrat, aus Holland kommend, ihr Mann die Bühne. Es ist der Engländer John Law mit seiner Finanztheorie, der Frankreich in einen wirtschaftlichen Ruin getrieben hat, wie man in Jahrhunderten keinen sah.
    Heuer ist ein Traktat dieses Betrügers erschienen: Money and Trade Considered , also «Betrachtungen über Geld und Handel». Es gab auch eine französische Übersetzung, aber ich konnte sie nicht finden. Ich verstehe kein Englisch, doch mein Sohn ja: Atto wusste, dass England der wahre Sieger dieses Krieges sein würde, und hat ihm, wenngleich schweren Herzens, neben Italienisch, Lateinisch, Griechisch, Deutsch und Französisch auch Unterricht in der Sprache der Kaufleute erteilen lassen.
    So habe ich dank der Hilfe meines Kleinen (der inzwischen schon ein schöner junger Mann ist) endlich schwarz auf weiß vor Augen, mit welcher Ketzerei dieser Law Frankreich den Todesstoß versetzt hat: Denn seiner Meinung nach sind der beste Anreiz für die Steigerung der Produktivität eines Landes – Kredite und Besitz an Papiergeld! Also nicht die guten, alten Münzen, die ihr Gewicht in Gold wert waren. Kurzum, er ist ein Freund der Wucherer.
    Mit solchen Lügenmärchen ist es diesem Betrüger gelungen, den Regenten Philippe II. von Orléans zu überreden, ihn 1716 die Banque Générale gründen zu lassen. Der Erbfolgekrieg hatte Frankreich finanziell so sehr in die Knie gezwungen, dass der Regent hoffte, in Law die Rettung gefunden zu haben. Unter dem neuen Namen Banque Royal hat das Geldinstitut von 1718 an ungeheure Mengen an Banknoten ausgegeben und mit Versprechungen, die nur für Einfaltspinsel taugen, an die Franzosen verteilt, um sich als Gegenleistung alles geben zu lassen, was sie an Gold, Silber und Grund besaßen. Waren diese Güter zum Beispiel hundert wert, gab Law dafür Papiere aus, auf denen geschrieben stand: «Dies entspricht dem Wert von fünfhundert», und versprach ihnen, sie könnten ihre Güter jederzeit zurückfordern. Die Untertanen des Königreichs Frankreich sind alle zu ihm geeilt, um ihm gegen Papier ihr Vermögen anzuvertrauen.
    Es ist unfassbar, wie naiv diese Franzosen sind. Sie fühlen sich allen anderen überlegen und sind immer bereit, sich zu beweihräuchern, doch dann laufen sie dem erstbesten Scharlatan hinterher.
    Im Januar dieses Jahres hat der Regent Law sogar den Posten des Generalkontrolleurs der Finanzen gewährt, jenes Amt, das erst der Oberintendant Fouquet und dann der Minister Colbert innehatten!
    Es währte nicht lange. Im März haben die Freunde Palatinos den Todesstreich gegen Frankreich geführt: Sie haben Zweifel an der Glaubwürdigkeit Laws gesät, und siehe da, schon laufen alle Franzosen zur Banque Royal, um Gold, Silber und Grundstücke zurückzufordern, die sie als Pfand für seine Banknoten hergegeben haben. Darauf halbiert der Regent den Wert der Banknoten zunächst, dann lässt er alle Zahlungen einstellen. «Wir haben nichts mehr», teilt die Bank den französischen Untertanen offenherzig mit. Die Bank wird geschlossen, John Law flieht nach Venedig, die Franzosen verarmen.
    Atto hatte es vorausgesehen, der Derwisch hatte es angekündigt: Der Wirbelsturm aus wirtschaftlichem Ruin und Empörung des Volkes erhebt sich in Frankreich und breitet sich von dort über ganz Europa aus, das vom Erbfolgekrieg schon entkräftet ist.
    Das Geld, das viele Jahrhunderte lang immer den gleichen Wert hatte, ist jetzt, wo es nur noch aus Papier besteht und kein Gold oder Silber mehr ist, jeden Tag weniger wert. Ich gehöre zu den wenigen Bevorzugten, die ruhig schlafen können: Ich habe noch meinen Weinberg in der Josephina.

    Und so bin ich nach Wien zurückgekehrt. Doch die Stadt ist nicht mehr wie früher. Im Turm des Stephansdoms hängt die majestätische Glocke, die Joseph aus dem Eisen der türkischen Kanonen gießen ließ und die das Volk bald «die Pummerin» taufte. Sie hat nicht, wie vorgesehen, zum dreiunddreißigsten Geburtstag des Kaisers geläutet. Der Tod kam früher. Also wurde die Pummerin im Oktober aufgehängt und im Januar 1712 eingeweiht, um die Ankunft des neuen Kaisers Karl VI. zu feiern. Doch ein paar Monate später, im Dezember, traf der Zorn Gottes den Usurpator: Die Pest brach aus, wütete während des ganzen Jahres 1713 und raffte achttausend unschuldige

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