Veritas
auszulassen, und der vollständige Satz müsste lauten: Imprimatur et secretum , Veritas mysteriumst , wobei mysteriumst natürlich für mysterium est steht.
Die Verwendung der Konjunktion et im Sinne von «auch» oder «sogar» und das im zweiten Teil des Mottos unausgesprochen mitgedachte Verb est als «ist» sind in der Tradition verankert. Doch das Ganze geht nicht auf Seneca oder Martial und auch nicht auf Cicero oder Plinius zurück.
Der Gebrauch des Begriffes imprimatur , also «man möge drucken», der übrigens auch die Genehmigung der kirchlichen Behörden zur Veröffentlichung eines Buches bezeichnet, bezieht sich eindeutig auf den Druck eines Textes und schließt eine Datierung innerhalb der klassischen Antike aus. Es handelt sich also weder um die Worte eines römischen noch eines Schriftstellers aus dem spätrömischen Reich oder der christlichen frühen Neuzeit, sondern um die eines modernen Autors.
Ich habe in verschiedenen Anthologien lateinischer Sinnsprüche gesucht, auch in jener etwas veralteten, aber ausgezeichneten von De Mauri, die bei Hoepli herauskam. Nichts, nicht mal eine vage Ähnlichkeit.
Immer wieder habe ich mir dieses Motto im Stillen aufgesagt, wie einen heimlichen, häretischen Rosenkranz oder wie jene Worte mit geheimnisvollen Kräften, die die tibetischen Mönche, wie es heißt, in der Stille ihrer Klöster ein ganzes Leben lang monoton vor sich hinmurmeln.
Und dann dieses Unicum … dieser verstümmelte Abschluss, der auf etwas anspielt, was noch übrig bleibt. Was aber bleibt im Wald der Ungewissheiten, in den uns die Unerkennbarkeit der Wahrheit verbannt? Die Antwort, ich hatte es nur noch nicht gemerkt, schwebte bereits in der Luft. Es war der Gesang der Nonnen, die Musik, die fortwährend aus dem Abspielgerät neben meinem Schreibtisch kam: das Quem queritis aus dem Repertoire mittelalterlicher liturgischer Gesänge, gesungen von russischen Interpreten, eine Erinnerung an mein Exil in Tomis.
Der Titel, Quem queritis , ist keine Behauptung. Es ist eine Frage. Der lateinische Text, ein Dialog, lautet:
- Quem queritis in sepulchro , christicole?
- JESVM Nazarenum crucifixum , o celicole .
- Non est hic , resurrexit sicut predixerat , ite nunciate quia surrexit de sepulchro .
Quem queritis? JESVM . Jesum, Jesus. Dieser so süße Name flüsterte mir etwas zu. Etwas, was ich schon wusste, ohne dass es mir bewusst war. Doch was? Nach Stunden vergeblichen, konzentrierten Nachdenkens habe ich den Drang verspürt, ihn aufzuschreiben: JESVM, in lateinischer Form, mit dem V statt dem U.
Der nächste Schritt ergab sich von selbst. Weiter unten habe ich die Worte der geheimnisvollen Botschaft aufgeschrieben:
Imprimatur
Et
Secretum
Veritas
Mysterium
Es war ein Akrostichon. Und dieses Akrostichon offenbarte den Namen Jesu, IESVM. Auch er stand im Akkusativ, wie das Wort unicum : Es war die Antwort auf meine Fragen. IESVM unicum . «Einzig Jesus», Jesus ist die einzige Gewissheit.
Das also wollte mir das Quem queritis sagen. Es handelt sich dabei um eine der letzten Szenen der Evangelien, die im Mittelalter zum Volksgebrauch vereinfacht wurde, um gesungen und rezitiert zu werden. Die Bilder sind äußerst schlicht, fast primitiv: Maria Magdalena und Maria begeben sich zum Grab; ein Engel, dessen Gestalt wie ein Blitz leuchtet und der bekleidet ist mit schneeweißen Gewändern, tritt mit einem gewaltigen Erdbeben auf, und die Wachen vor dem Grab fallen wie tot zu Boden. Da verkündet der Engel (oder die Engel, je nach Version) den Frauen, dass sie Jesus hier nicht finden werden, denn ER ist auferstanden, wie er gesagt hat. Sodann fordert der Engel die Frauen auf, seinen Jüngern die Nachricht zu bringen.
Für die musikalischen Darstellungen des Mittelalters wurde der entsprechende Passus der Evangelien (Matthäus 28,1-6; Markus 16, 1-8; Lukas 24, 1-7; Johannes 20, 1-18) auf wenige, schlichte Worte reduziert:
- Wen suchet Ihr am Grabe?
- Den gekreuzigten Jesus von Nazareth , O ihr Engel .
- Er ist nicht hier , er ist auferstanden , wie er vorausgesagt hat . So gehet und verkündet , dass er aus dem Grab auferstanden ist .
IESVM ist ein Akkusativ, weil er auf eine Frage antwortet: Wen suchet ihr? Wir suchen Jesus. Das Wort antwortet also auf eine Frage, die einzige wahre Frage für den, der glaubt. Wen suchen wir wirklich, wen müssen wir suchen, wenn nicht Jesus? Wer bleibt, wenn nicht er?
Quem queritis? Die Antwort ist Jesum , der auf manchen frühchristlichen
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