Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verkehrt!

Verkehrt!

Titel: Verkehrt! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
Vom Netzwerk:
dunkelgrüner, gummiartiger Schale, die von Pocken übersät ist.
    Meinen Versuch, sie mit dem Fingernagel zu öffnen, breche ich schnell ab. Die Haut ist einfach zu dick.
    Ich nehme die Guacamole wie eine Birne in die Hand und beginne sie zu schälen. Einige Male rutsche ich mit dem Messer ab, so widerstandsfähig und zäh ist die Schale. Das mattgrüne Fruchtfleisch glitschig und weich. Halb geschält ist die Frucht nur noch schwer zu halten, zwischen meinen Fingern suppt die Guacamole durch wie eine alte Banane.
    Sobald Mutti die Küche betritt, reißt sie die Tüte Nachos auf. Sie stolpert fast, als sie mich sieht.
    – Elizabeth, was machst du da mit der Avocado?
    Rotzekacke, aufgefallen.
    – Wo ist denn die Guacamole?
    – Nirgends, Kind. Die sollst du machen, mit der zermanschten Avocado da in deiner Hand.
    – Dann bin ich doch auf dem besten Weg.
    – Aber schälen? Eine Avocado?
    Ob die Schale mit verarbeitet wird? Wird die mit gegessen?
    – Soll ich die Schale dranlassen?
    – Nein, du tust ja gerade wie der erste Mensch. Als hättest du noch nie Guacamole gemacht.
    – Ist schon was her.
    – Na so lange nun auch wieder nicht.
    Was soll ich denn jetzt tun?
    – Komm, gib her.
    Ich reiche ihr die Avocado und wasche mir die Hände im Spülstein. Sie spricht leise mit sich selbst.
    – Kannst du mir sagen, was in deinem Kopf manchmal vorgeht?, fragt sie.
    Dankenderweise klingelt es.
    – Wer ist das denn jetzt?
    – Ich weiß nicht, sage ich, als hätte sie wirklich eine Antwort von mir erwartet. Beim Hinausgehen schaut sie mich nachdenklich an. Auf der Arbeitsplatte trudeln die zwei Hälften Avocado aus, und ein riesiger dunkler Stein liegt zwischen ihnen. Ich lausche.
    Sie muss etwas unterschreiben, verabschiedet sich und schließt die Tür.
    Als sie langsam, einen Brief lesend, in die Küche kommt, schaut sie zweimal auf zu mir und sagt verwundert, – Elizabeth.
    – Ja?
    – Das ist ein Brief von einem Anwalt.
    – Aha.
    – Es geht um dich.
    Das ist nichts Neues.
    – Kannst du mir dazu was sagen?
    – Zu was?
    – Rate mal.
    Sie lässt den Brief sinken und stützt dann die Hände in den Hüften ab. Das Papier knistert.
    Sie können mich doch im Mediakomet nicht erkannt haben? Oder ist Elizabeth tatsächlich zu einem Arzt gegangen? Oder hat sie gar etwas verbrochen, bevor wir die Persönlichkeiten getauscht haben?
    – Elizabeth, hast du dich in der Schule mit einem Jungen geprügelt?
    Ach so.
    – Puh, nein, der hat mich beleidigt. Ich meine, der hat einen Mitschüler beleidigt. Da habe ich ihm nur eins auf die Fr… aufs Auge gegeben.
    Sie scheint den Wert jedes Wortes zu messen, – Du hast ihm nur eins aufs Auge gegeben?
    – Ja.
    – Konnte sich der Mitschüler nicht selber verteidigen?
    – Ich stand besser.
    – Du standst besser?
    Ich nicke.
    – Und deswegen hast du ihm …
    Ich nicke heftiger und zeige meinen Jab.
    – Das ist ein Brief vom Anwalt. Ich werde das unserem Anwalt übergeben.
    Wow. Ich habe einen Anwalt. Mein Anwalt!
    Sie schmeißt den Brief auf den Tisch.
    – Meine Tochter haut einem älteren Jungen ein blaues Auge. Du …
    Erst sieht es danach aus, als wolle sie etwas Ernstes sagen, stattdessen lacht sie los, und ich falle mit ein.

48

    Gesine, Harry und ich stehen nebeneinander vor der Haustür und schauen zu, wie die Sanitäter einsteigen. Kaum sitzen sie wieder in ihrem Krankenwagen, dreht sich das Blaulicht, und sie verlassen mit der alten Nachbarin den Hof. In der Einfahrt schalten sie das Martinshorn ein. Laut hallt es von den Wänden wider.
    Ich hole tief Luft.
    – Mach dir keine Sorgen, die wird schon wieder, sagt Gesine zu mir.
    Meine Sorgen gelten weniger der alten Frau als mir selber.
    – Sie mussten sie jetzt nur mitnehmen, zur Kontrolle.
    Die alte Frau war wieder zu sich gekommen, bevor der Krankenwagen ankam. Gesine und Harry hatten sich angezogen, und zu dritt haben wir der alten Dame die Beine hochgelegt. Sie schimpfte und verwünschte uns, bis die Sanitäter übernahmen.
    Ich ziehe die Nase hoch. Das erinnert mich an was.
    – Harry?
    – Ja.
    – Habe ich eigentlich einen Termin beim Arzt?
    Er guckt verwundert, – Bist du krank?
    – Sehe ich gesund aus?, frage ich zurück und ziehe demonstrativ die Nase hoch.
    Harry schaut Gesine an und dann wieder mich, – Frank, ich habe keine Ahnung, was du meinst.
    Wie stumpf ist der denn?
    – Meine Nase!
    – Und?
    – Sie läuft.
    – Das ist nun mal so.
    – Nicht

Weitere Kostenlose Bücher