Verkehrt!
beschwert.
– Super, und bei wem?
– Na, bei Frau Stankowski.
– Gut.
Damit drehe ich ab und möchte auf die Türschilder gucken, damit ich bei ihr klingeln kann.
Harry ruft mir hinterher, – Die ist doch noch nicht aus dem Krankenhaus zurück.
51
Neben meinen Füßen gähnt mich der Koffer an. Sämtliche Türen des Kleiderschranks sind geöffnet. Ordentlich liegen die Unterhosen, Hemden und Socken auf ihren Stapeln, so gerade, dass man ein Lineal anlegen kann.
Elizabeth hat tatsächlich etliche rosa Klamotten. Die bleiben hier, die werden Thailand nicht sehen.
Aus dem Rest suche ich mir die eher sportlicheren Kleidungsstücke heraus. Sie segeln nacheinander in den Koffer. Dabei grinst mich von einem Fotoplakat an der Wand dieser blöde Gaul an, der mit mir durchgegangen ist. Er sieht jedenfalls genauso aus.
Kein Stapel, den ich berühre, sieht aus wie vorher. Socken und Unterhosen sind umgefallen, die anderen zerknautscht. Selbst als ich mich an den T-Shirts versuche, schaffe ich es nicht, die verbliebenen einigermaßen gerade zurückzulegen.
Wie machen die das? Ist ja irre. Egal.
Aus dem Schuhregal nehme ich ein Paar Sandalen. Der Koffer ist jetzt halb voll. Duschzeug, Handtuch und Zahnbürste kommen morgen früh dazu.
Was mache ich denn während des Fluges? Das dauert doch garantiert Stunden. Gut, die werden ein oder zwei Filme zeigen, aber was, wenn die mir nicht gefallen?
Auf ihrem MP 3 -Player im Handy ist wirklich nur Schrott. Zeit, das zu ändern, samt Ringtone.
Ich schalte das Netbook auf dem Schreibtisch an. Puh, kein Passwort.
In den Programmen suche ich nach einem Audioripper. Nichts. Also lade ich mir den Ripmaster runter, während ich alle Files auf dem MP 3 -Player lösche. YouTube auf, Suchbegriff:
Gossen Posse live.
Ich klicke auf die Playlist mit dem Titel
Clubtour
und lasse den Ripmaster mitlaufen, Speicherziel MP 3 -Player. Der erste Song ist
Wie Wir
. Super, das läuft.
Ich ziehe nacheinander die drei Schubladen des Schreibtisches auf. Oben liegen nur weiße Blätter und Schreibblöcke, in der Mitte Stifte, Zirkel, Lineale und Heftzwecken und Büroklammern, und in der unteren bedeckt ein buntes Tuch den Inhalt. Ich schaue darunter, ein Buch mit einem festen Einband und einem kleinen Schloss. Ihr Tagebuch.
Yeah!
Ich lege das Buch mit dem rot-weißen Cover auf den Tisch und biege eine Büroklammer auf, mit der ich das Schloss in fünf Sekunden geknackt habe.
Liebes Tagebuch, ich habe noch nie ein Tagebuch geführt. Dies ist mein erstes. Obwohl ich gedacht habe, es ist zu spät, mit einem Tagebuch anzufangen, tue ich es nun einfach. Ich halte es nicht mehr aus, so viele Gedanken gehen mir jeden Tag durch den Kopf. Familie, Schule, ich, Jens.
Jens? Welcher Jens? Der Jens?
Die nächsten Zeilen sind gefühlvolles Gewäsch. Ich blättere weiter. Sie hat nicht jeden Tag hineingeschrieben, das sehe ich am jeweiligen Datum. Und nicht jeder Tag ist gleich, manchmal nur eine Zeile, manchmal zwei Seiten. Ich suche den Namen Jens. Ich kenne zwei, das Arschloch und einen aus der Parallelklasse. Als ich seinen Namen das zehnte Mal lese, redet sie von seinem Scooter. Das deutet auf das Arschloch hin, aber kann das sein? Vielleicht kennt sie auch einen anderen Jens.
Da! Ein Samstag.
Mutti habe ich gesagt, dass ich mich mit Clarissa treffe. Aber ich bin dann zum Sportpark gegangen. Jens hatte ein Spiel.
Wenn das Spiel Fußball heißt, dann ist es Arschloch-Jens.
Als ich ankam, hatte das Spiel bereits begonnen. Jens hat mich nicht gleich gesehen. Ich stand zwischen einigen Eltern, die ihre Jungs anfeuerten und auf den Schiedsrichter schimpften. Jens spielte auf unserer Seite und lief einige Male an mir vorbei. Nach zehn Minuten oder so schoss er ein Tor, und beim Jubel tanzten er und seine Mitspieler über das Feld, und da sah er mich, und mein Herz und mein Magen tanzten Tango.
Arschloch-Jens.
52
– Keinen Staubsauger, flüstere ich vor mich hin, während ich auf dem Boden knie und mit Besen und Schaufel versuche, Staubkörner und Krümel zusammenzukehren. Bei jedem Wischer spritzen zahllose Kleinteile vom Teppich auf. Keks- und Chipskrümel, Papierschnipsel, Sandkörner, Zuckerkristalle, Hautschuppen, Staubflocken, ausgetrocknete Insektenkörper und abgerissene Fußnägel. Auf der Schaufel landet fast nichts. Wenn ich sie hinter den Besen halten würde, hätte ich größeren Erfolg.
Ich feuere nacheinander den Besen und die Schaufel in eine Ecke, will mich einfach nach
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