Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verkehrt!

Verkehrt!

Titel: Verkehrt! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
Vom Netzwerk:
Whirlpool. Der würde sterben. Der würde denken, er wäre im Himmel. Aber ich glaube nicht, dass Eva und Clarissa den Spaß mitmachen würden. Abgesehen davon bin ich auch lieber alleine mit ihnen.
    Endlich beginnt sich das Riesenrad gleichmäßig zu drehen. Obwohl es von außen so langsam aussieht, spüre ich trotzdem meinen Magen, wenn ich herunterschwebe. Unten an den Ständen vorbei und an der Kasse, und endlich wieder hoch, raus aus der Kirmes, aus der Stadt.
    Ich werde gleich Mutti anrufen, damit sie nicht versucht, mich vor der Schule abzuholen. Nicht, dass Elizabeth dort auf mich lauert. Ich werde ihr sagen, dass die letzte Stunde ausgefallen ist, die letzten zwei, und ich eine Stunde auf der Kirmes war, genau.

46

    Was mache ich denn jetzt? Was mache ich denn jetzt bloß?
    Hundert Meter weiter die Straße runter fährt ein Auto aus der Einfahrt, wo Frank wohnt, wo ich wohne. Bis hierhin bin ich wie ein Zombie gewandelt, ich kann mich an nichts erinnern.
    Frank reagiert nicht mal mehr auf meine Anrufe. Ich habe nur noch Zeit bis morgen Vormittag, bevor er in meinem Körper zu Vati nach Singapur fliegt. Mutti wird ihn auf jeden Fall zur Schule bringen. Selbst wenn er krank ist. Aber was soll ich schon machen? Was würde ihn von einem Rücktausch überzeugen? Was würde mich an seiner Stelle von einem Rücktausch überzeugen?
    Es zwirbelt in meiner Nase.
    Denk an etwas anderes, Elizabeth.
    Sonst fange ich wieder an zu heulen.
    Der Uringestank in der Einfahrt von Franks Zuhause lenkt mich ab, und ich höre die schreckliche Musik von Harry aus der Garage. Das Tor ist zu. Aus der oberen Ritze qualmt Rauch. Viel Rauch.
    Brennt es dadrin? Liegt Harry bewusstlos neben seiner Skulptur?
    Ich laufe hin und ziehe an dem alten Metallgriff mit einem Schwung das Garagentor hoch.
    Von dem Bild, das sich mir bietet, werde ich noch meinem Therapeuten erzählen: Harry steht alles andere als bewusstlos neben seiner Skulptur. Als Erstes fällt mir der Schwanz der Klapperschlange auf seiner Arschbacke auf. Mit heruntergelassenen Hosen um seine Knöchel steht er zwischen den gespreizten Beinen von Gesine, die sich mit ihrem Rücken auf dem zusammengeschweißten Schrottskelett rekelt und an den Hörnern der Kreatur festhält. Beide schauen mich an, eingefroren in ihrer offensichtlichen Bewegung. Ein ausgewachsener Joint dampft in dem Gesicht von Harry. Kein Zweifel.
    Er nickt mir zu und zuckt mit den Schultern, – Klopf-klopf-klopf?
    Ich schüttele nur den Kopf. Zu mehr bin ich nicht fähig.
    – Und, Frank, wie war’s in der Schule?, fragt er mich, als säßen die beiden am Esstisch in der Küche.
    Sie fängt an zu kichern, hell und hoch, und hält sich mit einer Hand den Mund zu.
    Verrückt. Das ist doch alles völlig verrückt.
    Auch Harry kann sich sein Grinsen nicht mehr verkneifen.
    Ich hab die Wahl zwischen heulen, schreien und lachen. Ich könnte jetzt alles drei gleichzeitig, entscheide mich aber für Letzteres und lache laut los, überlaut, so laut wie möglich, dass keines der anderen Gefühle eine Chance hat durchzubrechen. Dabei drehe ich mich um und gehe auf unsere Haustür zu.
    Hinter mir höre ich Harry rufen, – Hey, kannst du die Garage gefälligst wieder zumachen?
    Ich lache weiter, und mir fällt noch etwas ein, – Liebe Grüße von Steffi übrigens!
    – Danke, sagt Harry, – Woher …?
    – Wer ist Steffi?, fragt Gesine.
    So, die beiden sind beschäftigt.
    Vor mir öffnet sich die Tür, und die Augen einer alten Frau weiten sich, als sie über meine Schulter schaut.
    – Herr Zach! …
    Das ist doch die Stimme der alten Dame im Hof von gestern, oder?!
    – Ah …, mehr bekommt die alte Frau nicht raus.
    Ihr Blick wird glasig, dann rollen ihre Augen nach oben, bis nur noch Weiß zu sehen ist, und ich kann sie gerade noch auffangen, bevor sie bewusstlos zu Boden stürzt.

47

    Mutti knallt den Ofen zu und dreht ihn auf 225  Grad.
    – So, der kann schon mal vorwärmen, sagt sie und geht um den Küchentisch herum, – Ich hole die Nachos und die Zwiebeln aus der Speisekammer, fang du schon mal mit der Guacamole an.
    Dabei deutet sie beiläufig mit der Hand in Richtung einer Frucht, vermutlich einer Guacamole, die auf dem Tisch liegt, und verlässt die Küche.
    Mutti war ganz glücklich darüber, dass ich früher Schulschluss hatte. So haben wir etwas mehr Zeit heute.
    Ich schnappe mir die Guacamole vom Tisch und wiege sie in der Hand. Die exotische Frucht ist geformt wie eine Birne, mit

Weitere Kostenlose Bücher