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Verkehrt!

Verkehrt!

Titel: Verkehrt! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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bei dir, nicht bei ihr, bei keinem in meiner Klasse, bei niemandem, den ich sonst kenne.
    – Das wäre auch ein Ding.
    Das scheint ihm als Antwort zu genügen.
    Ich werde laut, – Ist dir das egal? Willst du mich nicht zum Arzt schicken? Damit meine Nase aufhört zu laufen?
    Gesine sagt, – Ich bin schon mal drinnen.
    Während sie im Treppenhaus verschwindet, setzt sich Harry auf die steinerne Stufe vor der Tür.
    Seine rechte Hand tätschelt die Stufe neben ihm.
    – Nein, sage ich.
    – Komm, setz dich neben mich.
    Und er winkelt ein Bein an, sodass er sich dem Platz zuwendet, wo ich mich hinsetzen soll.
    Ich sinke neben ihm zu Boden.
    – Frank, mit einundzwanzig, hat der Doktor gesagt.
    – Mit einundzwanzig, was?
    – Na, die OP .
    – Eine Operation?
    – Die Nasenoperation.
    – Warum erst mit einundzwanzig?
    – Weißt du doch. Weil du dann ausgewachsen bist.
    – Warum nicht vorher?
    – Na, weil es sich wieder verwachsen würde.
    – Du willst mir sagen, ich muss mit der Rotznase rumlaufen, bis ich einundzwanzig bin?
    Harry schaut mich nur an. Mir wird klar, wir müssen schon oft darüber gesprochen haben. Logisch.
    – Frank, glaub mir, ich weiß, dass dir jetzt vielleicht die beschissenste Zeit bevorsteht.
    – Da hast du recht. Du glaubst gar nicht, wie recht du hast.
    – Teenager zu sein, ist für niemanden leicht.
    Ich muss kurz auflachen, – Aber für manche weniger schwer als für andere.
    – Das mag sein. Hat Bette was gesagt? Wegen deiner Nase?
    Bette, Elizabeth, ich. Am liebsten würde ich ihm jetzt alles erzählen, von Anfang bis Ende, aber ich kämpfe gegen die Tränen an. Und es sind nicht nur meine eigenen Tränen, sondern auch die Tränen für Frank und die Tränen für Mutti und Vati, und auch für die alte Frau. Ich sitze hier quasi in der Gosse, genauso komme ich mir vor. Weiter unten geht nicht.
    Harry fasst mich an die Schulter, – Hat das Mädchen was gesagt?
    – Nein.
    – Bist du abgeblitzt?
    – Nein.
    – Andere Mädels?
    – Nein.
    – Hey, die Zwanziger sind viel geiler, du wirst sehen.
    – Die Zwanziger?
    – Ja, wenn du Mitte zwanzig bist. Da wird’s richtig gut.
    – Das ist in zehn Jahren! Die letzten fünfzehn fühlen sich an, als hätte ich schon ewig gelebt. Noch eine Ewigkeit? Noch eine Ewigkeit warten, bis es richtig gut wird? Das ist ja wohl ein Scherz. Sag, dass das ein Witz ist. Sag mir, dass morgen alles wieder gut ist.
    Mehr kriege ich nicht raus, der Kloß schnürt meinen Hals zu. Harry rückt näher an mich heran und nimmt mich in den Arm. Sein Geruch nach Schweiß, Stahl und Nikotin hüllt mich ein.

49

    Wir sitzen am Küchentisch und dippen die letzten Nachos in die Guacamole.
    – So hast du ja noch nie reingehauen, sagt Mutti.
    – Das Zeug schmeckt super.
    – So wie immer, meine ich, das Zeug.
    – Du, Mutti?
    – Ja?
    – Können heute ein paar Freundinnen vorbeikommen, es ist so heiß, ein bisschen in den Pool?
    – Heute? Wann willst du denn packen?
    – Morgen.
    – Morgen vor dem Frühstück?
    – Nachmittag.
    – Elizabeth, ich warte doch im Taxi mit unseren Koffern auf dich vor der Schule. Das wird eine Punktlandung mit dem Flug.
    – Wozu? Wir sehen Papi doch erst übermorgen.
    – Papi?
    – Vati.
    – Dazu müssen wir aber morgen losfliegen, die Zeitverschiebung. Elizabeth, das weißt du doch alles.
    – Richtig, ja. Ich packe dann gleich. Können heute Abend dann meine Freundinnen vorbeikommen?
    – Wer denn?
    – Eva und Clarissa.
    – Gut, die beiden, aber erst packen. Und heute Abend macht ihr nicht so lange, du weißt, bei mir wird es bei Claudia immer etwas später.
    – Weiß ich!
    Das wusste ich nicht, kommt mir aber sehr gelegen, sturmfreie Bude.
    – Wann geht’s denn zu Claudia?
    – Seit wann duzt du sie?
    – Ist mir so rausgerutscht.
    Sie legt ihre Hand auf meine, – Na ja, du gehörst ja jetzt auch bald zu uns, den jungen Frauen.
    Whatever.
    – Ich gehe jetzt packen.
    – Das mache ich auch, ich räume nur noch ab. Nimmst du den blauen Koffer?
    Von mir aus.
    – Ja, sage ich und will zu meinem Zimmer, ihn holen, da höre ich Mutti hinter mir herrufen.
    – Wo willst du hin? Der ist in der Abstellkammer!
    Ich mache auf dem Absatz kehrt. Die liegt in der anderen Richtung.
    – Sorry, ich freue mich schon so drauf.
    – Eieieieiei.

50

    Mit dem Rücken lehne ich an meiner Zimmertür. Als würden Gesine oder Harry hier gewaltsam eindringen wollen. Ich höre ihre

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