Verkehrt!
vorne auf den Boden fallen lassen, besinne mich aber aufgrund des Drecks eines Besseren, stehe auf und schleppe mich zur Matratze, in der ich mein Gesicht vergrabe und das Kissen über den Kopf stülpe, damit sie nicht meine Schluchzer hören.
Hier kann man noch nicht einmal sauber machen. Wie kann man hier leben? Wie kann ich hier leben? Ich kann hier nicht leben, und ich will so nicht leben. Morgen Vormittag werde ich auf Mutti zugehen und ihr die Wahrheit sagen. Ich werde ihr Details aus unserem Leben erzählen, die nur ich wissen kann.
Sie könnte denken, wir würden ihr einen Streich spielen. Sie würde das sogar sehr wahrscheinlich denken.
Nein, ich werde zu einem Arzt gehen, aber zu wem? Wir haben einen neuen Hausarzt, weil Herr Dr. Fink sich zur Ruhe gesetzt hat.
Soll ich zu meinem Zahnarzt? Nein, der bringt es fertig und zieht mir gleich zwei Zähne. Wer weiß, wann Frank das letzte Mal bei einem Zahnarzt war.
Die Polizei?
Bei denen könnte ich bekannt sein, als Frank.
Ich werde Harry davon erzählen. Ich werde ihm sagen, wer ich bin und dass ich mich deswegen an nichts erinnere, was länger zurückliegt als zwei Tage. Er muss mir glauben.
Es klopft an der Tür. Ich ziehe das Kissen vom Kopf.
– Ja?
Die Tür geht auf, und der Kopf von Harry schaut herein.
– Frank, Abendessen?
– Zusammen?
– Ja.
– Seit wann? Das schien bis jetzt nicht üblich.
– Zeit, dass wir das ändern.
Er steht jetzt ganz im Türrahmen. Ich setze mich auf.
– Harry, ich muss dir was sagen.
Er lässt die Schultern hängen, – Du hast Bette geschwängert?
– Nein!
– Aber ihr habt schon …, absichtlich beendet er den Satz nicht, sondern zwinkert mir zu und beginnt mit seinem Hüftschwung, – Uga…
– Nein! Haben wir nicht.
Grinsend sagt er, – Na, egal. Dann kann es nicht so schlimm sein. Was ist los?
Ich schaue ihn an und spüre, wie diese Stille die Situation zuspitzt.
– Harry, ich bin nicht dein Sohn.
– Erzähl mir was Neues.
– Ich meine …
– Die Wahrscheinlichkeit ist nun wirklich nicht sehr hoch. So wie deine Mutter rumgevögelt hat. Kommunenleben ist nun mal so. Aber selbst für eine Kommune war sie extrem. Was soll’s? Wir kommen doch gut miteinander aus.
– Hör mir mal zu! Ich bin Bette, ich, ich meine, Elizabeth, ich habe mit deinem Sohn die Persönlichkeiten getauscht. Ich bin hier in seinem Körper und er in meinem.
Jetzt habe ich ihn. Er kommt auf mich zu, dabei sieht er mich ernst an, so ernst habe ich ihn noch nie gesehen. Er kniet sich vor mir hin und bohrt seinen Blick in meine Augen. Ich kämpfe gegen die Tränen des Glücks an, dass mir jetzt ein Erwachsener helfen wird. Wahrscheinlich werden wir gleich zu Mutti fahren.
Diese Erleichterung, eine Riesenlast ist von mir gefallen.
Harrys Hände legen sich an meine Wangen.
Ein Gefühl der Sicherheit und der Geborgenheit breitet sich in mir aus.
Dann zieht er mir mit seinen Daumen die Haut unter meinen Augen nach unten, sodass ich ihn anglupschen muss wie ein Frosch. Bei dem blauen Auge schmerzt das etwas, aber egal, Hauptsache, er glaubt mir.
– Was?, frage ich.
Ich rieche seinen Atem. Nikotin und Wein, Pernod nicht unähnlich.
– Warst du an meiner Schublade im Schlafzimmer?
– Nein.
– Hast du was geraucht?
– Was? Nein.
– Wirklich?, fragt er ernst nach.
– Echt nicht.
– Warte.
Er springt auf und läuft mit großen Schritten aus meinem Zimmer. Seine Tür klappt, es ist einen Moment ruhig, dann höre ich ihn um drei Ecken die Zimmer durchqueren und sagen, – Okay, Frank, ich glaube dir.
Ich atme auf.
Er glaubt mir, er glaubt mir tatsächlich.
Als er wieder im Türrahmen steht, frage ich, – Und was machen wir jetzt?
– Abendessen.
– Nein, mit mir, Elizabeth, in diesem Körper?
– Das ist eine gute Masche bei Frauen, Frank. Ich bin eine Frau gefangen im Körper eines Mannes. Das zieht. Mach weiter so.
– Du weißt nicht, was du sagst.
Als hätte es die ganze Unterhaltung nicht gegeben, fragt er, – Brötchen?
– Sie müssen mir glauben!
– Übertreib’s nicht. Gesiezt wird hier nicht.
– Ich kann es beweisen.
– Wie?
– Ich kann mich an nichts erinnern, was länger als zwei Tage her ist!
– Ich auch nicht. Was soll das beweisen?
– Zu viele Drogen. Weil ansonsten könntest du dich …
– Außerdem ist das nicht gut, man sollte nicht zu sehr in der Vergangenheit leben. Ich hole jetzt Brötchen bei
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