Verlangen
nicht noch mehr in Versuchung, als du es bereits getan hast. Nachdem ich die Nacht eng von dir umschlungen verbracht habe, bin ich nur zu gern bereit, dafür zu sorgen, dass du zu spät zur Arbeit kommst.«
Eng von dir umschlungen. Verdammt noch mal, deshalb hasste sie es, Medikamente zu nehmen. Sie wünschte, sie könnte sich daran erinnern.
»Wie bin ich auf das Sofa gekommen?«
»Ich habe dich hingetragen. Ich wollte das Erste sein, was du beim Aufwachen siehst. Wir müssen miteinander reden.«
Sie stieß sich vom Sofa ab, fuhr mit einer Hand durch ihr zerzaustes Haar und rümpfte die Nase. Morgens sah sie nicht verführerisch aus. Sie sah beschissen aus. Ein schneller Blick auf die Uhr zeigte außerdem, dass es neun Uhr morgens war. »Ich muss duschen. In einer Stunde muss ich in der Praxis sein.«
»Mach dich fertig«, sagte er. Er hatte sich schon wieder von ihr abgewandt und warf ihr die Worte über die Schulter zu. »Wenn du runterkommst, habe ich Kaffee für dich bereitstehen.«
Sie stand auf und streckte sich. »Danke. Im Kühlschrank steht gezuckerte Kaffeesahne mit Vanillearoma.«
»Verstanden. Und du hast gern zusätzlich zwei Päckchen Süßstoff.«
»Äh, ja …« Stirnrunzelnd nahm sie zur Kenntnis, wie genau er sich ihre Vorlieben gemerkt hatte, und lief dann die Treppe hinauf.
Es kam ihr ein bisschen seltsam vor, diese eingespielte Häuslichkeit, insbesondere, wenn der Mann, mit dem sie in diese Routine fiel, halb nackt war und mit einem Schwert in ihrem Wohnzimmer herumfuchtelte. Aber es war nur eine Spur befremdlich. In erster Linie passte es – es beschwichtigte sie, ließ ihre Schritte federn und ihr Kinn höher in die Luft wandern.
Unter der Dusche nahm sie sich Zeit, obwohl sie wusste, dass sie zu spät kommen würde. Stacey würde es nicht zugeben, aber seit einer Weile vereinbarte sie den ersten Termin etwas später, um Lyssa Zeit zu geben, am Morgen zu sich zu kommen. Heute nutzte Lyssa die Zeit so gut wie möglich. Sie rasierte sich besonders sorgfältig die Beine und massierte dann ihren Lieblingsduft in die feuchte Haut ein, Körperöl mit Apfelextrakt. Während der prasselnde Strahl der Dusche den letzten Rest Mattigkeit von ihrem Körper spülte, dachte Lyssa über Aidan nach.
Aidan, der geheimnisvolle Fremde, der sich benahm, als seien sie schon lange und eng miteinander bekannt, und der so gut wie nichts über sich erzählte.
Er hatte recht. Sie mussten miteinander reden, denn sie brauchte Antworten.
Als sie abgetrocknet und angezogen war und der Gedanke an frischen, heißen Kaffee ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ, fand Lyssa die Möbel in ihrem Wohnzimmer wieder in der gewohnten Anordnung vor, und Aidan lehnte wie ein Sexgott an der Anrichte und lachte ins Telefon.
Sie blieb stehen, gefesselt von diesem Klang, der sowohl tief als auch hell und maßlos verführerisch war. Es war die Form von grollendem Gelächter, die eine Frau an leidenschaftliche Bettspiele denken ließ, bei denen man sich lachend zwischen warmen, zerwühlten Laken herumwälzte und sich ganz und gar im Augenblick verlor.
Sein Mund zog sich auf einer Seite hoch, als er sie anstarrte, und sein Blick, der sich senkte, um von Kopf bis Fuß über ihren Körper zu gleiten, heizte ihr Blut auf. »Hier ist sie, Cathy«, murmelte er und richtete sich auf. »Heil und unversehrt, und sie sieht erstaunlich gut aus.«
Lyssa riss die Augen auf. Sie hatte geglaubt, er spräche mit einem Freund oder einer Bekannten. Vielleicht, um jemandem Bescheid zu geben, dass er gut angekommen war. Niemals hätte sie erraten, dass es ihre Mutter war.
Sie trat näher, und er hielt mit einer Hand den Hörer zu. »Tut mir leid«, flüsterte er. »Ich wollte den Anruf ignorieren. Dann hat sie angedroht, die Polizei anzurufen, wenn du nicht abnimmst.«
Lyssa nahm kopfschüttelnd das Telefon entgegen und versuchte das Kribbeln zu ignorieren, als ihre Finger einander berührten. Sie wandte sich von ihm ab, um ihre Reaktion zu verbergen. »Hallo Mom.«
»Was zum Teufel geht hier vor?«
»Nichts.« Als kräftige Hände ihre Taille umfassten, zuckte sie zusammen. Dann pressten sich feste, warme Lippen seitlich an ihren Hals. Sie lehnte sich zurück und genoss seine Aufmerksamkeiten.
»Ich bin verschwitzt«, flüsterte er und trat einen kleinen Schritt zurück, ließ sie aber nicht los. »Wir müssen wirklich miteinander reden, Lyssa.«
Sie nickte.
»Komm mir bloß nicht damit, es sei nichts«, schalt ihre Mutter sie
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