Verlangen unter falschem Namen
Raffinessen. Einen Augenblick lang hatte er sogar geglaubt, sie sei noch Jungfrau. Wie lächerlich! Schließlich hatte sie sich so bedingungslos nehmen lassen, dass man es nur auf Erfahrung zurückführen konnte. Dafür sprach auch, wie schnell sie mit ihm ins Bett gegangen war, nachdem sie vorher gespielt gezögert hatte, um ihn damit nur noch mehr anzumachen.
Je länger er darüber nachdachte, desto ungehaltener wurde er. Wütend stand er auf, ging ins Bad und starrte mit grimmiger Miene in den Spiegel. Sie würde ihm doch noch dafür büßen, was sie seiner Schwester angetan hatte.
Als Cara vorhin in der kühlen Nachtluft vor ihm gestanden hatte, waren allerdings alle Gedanken daran wie weggewischt gewesen. Doch eigentlich, versuchte er sich jetzt einzureden, hatte er sie nur zum Mitkommen in sein Hotel aufgefordert, um sie zu testen. In Wirklichkeit hatte er sie so begehrt, dass es schon an Verzweiflung grenzte. Dann hatte sie abgelehnt, und seine Beweggründe waren irgendwie durcheinandergeraten. Als sie zurückkehrte und sich ihm mit der gespielten Unschuld einer Novizin anbot, wäre er ihr beinah auf den Leim gegangen. Aber aufgrund seiner Erfahrung war bald klar gewesen, dass sie so etwas ständig tat.
Jetzt war er am Zug. Ihr Bruder Brosnan hatte Allegra eiskalt verführt, um sich zu nehmen, was sie zu bieten hatte, und sie dann fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel. Warum sollte er es mit Brosnans Schwester nicht genauso machen? Sie wusste ja nicht, wer er war und dachte zweifellos, dass er ab sofort ihren extravaganten Lebensstil finanzieren würde.
Mochte sie ihn auch überrascht und bezirzt haben – jetzt hatte er sie genau da, wo er sie haben wollte. Sie war ihm ausgeliefert, und er würde ihr den größtmöglichen Schmerz zufügen, zu dem ein Mensch wie sie fähig war. Das war viel besser, als Cara ihr unmögliches Ver halten vorzuwerfen und dann zu erwarten, dass sie ihre Schuld zugab. Womöglich hätte sie ihm nur ins Gesicht gelacht.
3. KAPITEL
Cara genoss es, ganz langsam aufzuwachen. Die herrliche Erinnerung an die vergangene Nacht hüllte ihr Gehirn in Watte wie eine sanfte Wolke. Zwar wusste sie, dass die bösen Erinnerungen auch da waren, aber sie wollte sie einfach noch ein bisschen auf Abstand halten.
Irgendwann merkte sie, dass Enzo sie nicht mehr an sich drückte. Sie streckte eine Hand aus und erwartete, ihn neben sich im Bett zu finden. Fehlanzeige!
Wie spät mochte es sein? Cara setzte sich auf und sah sich im Zimmer um. Enzo saß in einem Stuhl und beobachtete sie.
„Guten Morgen …“, sagte sie lächelnd, doch Enzo antwortete nicht, sondern sah sie nur weiter an. Unwillkürlich lief es Cara eiskalt den Rücken hinunter, aber sie konnte nicht sagen, warum. Ihr Lächeln erlosch.
„Enzo?“, fragte sie dann ein wenig unsicher.
Lässig erhob er sich vom Stuhl und ging mit großen Schritten zum Fenster. Er war komplett angezogen, trug Anzug und Krawatte. Als er sich zu ihr umdrehte, lag weder Zärtlichkeit noch Leidenschaft in seinem Gesicht. Vielmehr sah er sie so grimmig an, als hätte sie ihn beleidigt.
„Mein Name ist nicht wirklich Enzo“, erklärte er, „auch wenn Freunde und meine Familie diese Abkürzung früher einmal benutzt haben. Ich heiße Vicenzo, Vicenzo Valentini.“
Einen Moment zeigte Cara überhaupt keine Reaktion, dann drang ihr langsam ins Bewusstsein, was er gesagt hatte. Valentini? Das konnte doch nicht sein! Sie atmete tief durch.
„Was hast du gesagt?“
„Das weißt du sehr gut.“
Sie schüttelte den Kopf und klammerte sich regelrecht an die Bettdecke.
„Bist du etwa Allegras Bruder?“, fragte sie schließlich verwirrt.
„Clever kombiniert“, antwortete er spöttisch.
Sie konnte sich überhaupt nicht erklären, warum er sich auf einmal so feindselig verhielt. Sie hatte den Eindruck, als sei das alles nur ein böser Traum.
„Weißt du denn, wer ich bin?“ Natürlich wusste er das. Sie selbst hatte es ihm gesagt. Aber sie verstand noch nicht, warum er sich ihr nicht schon gestern richtig vorgestellt hatte.
„Ich wusste schon, wer du bist, noch bevor wir uns unterhalten haben, Cara“, verwirrte er sie noch mehr. „Ich bin extra in den Club gekommen, um dich kennenzulernen.“
Wieder schüttelte sie den Kopf. „Aber … Aber warum hast du mir nicht einfach gesagt, wer du bist?“
Ein undefinierbarer Ausdruck huschte über sein Gesicht, bevor es wieder zur undurchdringlichen Maske wurde. „Weil ich dich mit eigenen Augen
Weitere Kostenlose Bücher