Verlangen unter falschem Namen
noch Jungfrau gewesen war! Diese Information hätte er sicher auch benutzt, um sie zu demütigen.
„Sie haben sich das alles so schön zurechtgelegt, Mr. Valentini“, rief sie mit bebender Stimme. „Wenn Sie Ihr Tribunal jetzt abgeschlossen haben, wären Sie vielleicht so höflich, mich in Ruhe zu lassen, damit ich mich anziehen kann. Danach werde ich mich auch sofort entfernen.“
Vicenzos Augen blitzten, und er sah sie nur an. Um der Gefühlswallung Einhalt zu gebieten, die sich Bahn zu brechen drohte, biss Cara sich auf die Lippe und reckte das Kinn vor. Ihre Augen brannten, und sie wusste, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bevor sie weinend zusammenbrach. Das war alles zu viel für sie. Doch selbst diese Regung interpretierte Vicenzo falsch.
„Keine Angst, Miss Brosnan, ich komme Ihnen bestimmt nicht mehr zu nahe. Ich bedauere nur, dass Sie im Gegensatz zu meiner Schwester nicht auch Ihre Unschuld geopfert haben. Und jetzt tue ich nur das, was Ihr Bruder mit meiner Schwester vorhatte. Wie bedauerlich, dass Sie nicht am Boden zerstört sein werden, wie Allegra es gewesen wäre. So gesehen ist es vielleicht ein Segen, dass sie das nicht mehr erleben musste.“
Nach diesem Schlag ging er zur Tür, und Cara bemühte sich tapfer, Haltung zu bewahren, solange er noch im Raum war. Er drehte sich noch ein letztes Mal um, und sein abfälliger Blick ließ keinen Zweifel daran, wie sehr sie ihn abstieß. Das traf sie mitten ins Herz. Dann hörte Cara, wie sich die Tür zur Suite öffnete und wieder schloss.
Eine ganze Weile stand sie einfach nur da und sah auf die Stelle, wo Vicenzo gerade noch gestanden hatte. Dabei fiel ihr etwas ein. Er hatte sie nie geküsst, zumindest nicht richtig. Sein Kuss war kein Zungenkuss gewesen, sondern ein flüchtig hingehauchtes Berühren ihrer Lippen, das nur den Wunsch nach mehr in ihr geweckt hatte. Danach war er ihren Versuchen, ihn zu küssen, immer irgendwie ausgewichen. Jetzt erkannte sie das ganz deutlich. Er hatte ihr etwas verwehrt, das in gewissen Kreisen als noch intimer galt, als miteinander zu schlafen. Vicenzo und sie hatten sich nicht geliebt, sie hatten nur Sex gehabt, und er wollte, dass sie sich danach fühlte wie ein billiges Flittchen – was ihm auch gelungen war.
Beschämt ließ Cara den Kopf hängen und begann hemmungslos zu schluchzen.
4. KAPITEL
Zwei Monate später in Dublin
„Ich fürchte, Sie haben einfach nicht genug Erfahrung, Ms. Brosnan.“
„Trotzdem danke, dass Sie mir die Chance zu diesem Bewerbungsgespräch gegeben haben, Mr. O’Brien.“
Am Horizont hing eine weltweite Wirtschaftskrise, und alle Firmenchefs waren nervös, schnallten den Gürtel enger und entließen Leute, anstatt neue einzustellen. Dies war so ziemlich der ungünstigste Zeitpunkt, um sich als Berufsanfänger in Irland eine Arbeitsstelle zu suchen. Als Cara das Bürogebäude verließ und die Frühlingssonne schien, war sie trotzdem froh, London und allem, was dort passiert war, den Rücken gekehrt zu haben.
Sie überquerte gerade eine belebte Straße, als sie ein neues Valentini’s bemerkte. Ein weiterer Coffeeshop der erfolgreichen Kette, deren Häuser immer in den italienischen Landesfarben Grün, Weiß, Rot erstrahlten. In den Läden wurden nicht nur herrliche Kaffeespezialitäten und vorzügliches italienisches Essen serviert, man konnte auch Lebensmittel, typisch italienische Küchenutensilien und Dekorationsgegenstände kaufen – eben alles, was die italienische Lebensart ausmachte.
Und jetzt gab es auch in Dublin so einen Coffeeshop. Mit seiner glänzenden Fassade schien er sich über sie lustig zu machen. Das Ironische daran war, dass das Valentini’s in London für Cara eine Art Rückzugsort bedeutet hatte. Stunden über Stunden hatte sie dort verbracht, gelesen oder fürs Studium gelernt und dabei so lange wie möglich an einem Cappuccino genippt.
Seufzend wandte sie den Blick ab und eilte weiter, während sie wieder diese Übelkeit verspürte. Inzwischen hatte sie sich schon beinahe daran gewöhnt. In den vergangenen vier Wochen war ihr jeden Morgen schlecht gewesen. Schließlich bestätigte ein Arztbesuch nur, was sie schon vermutet hatte: Sie erwartete ein Kind. Trotzdem schockierte Cara diese Neuigkeit, und sie konnte es gar nicht richtig glauben. Sie hatte sich noch nicht einmal überlegt, wann und wie sie Vicenzo darüber informieren wollte. Der Gedanke daran lag ihr im Moment einfach zu fern.
Etwas später stieg Cara aus dem Bus, kaufte die
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