Verlangen unter falschem Namen
er es noch nicht zeigen konnte. Ihren zarten Körper zu spüren, hatte in ihm ein starkes Bedürfnis geweckt, sie auch in Zukunft zu beschützen.
Das hatte noch keine Frau geschafft. Jetzt brauchte er dringend etwas, um sein Gleichgewicht wiederherzustellen, etwas Bekanntes, an das er sich halten konnte: Sie war beim Tod seiner Schwester dabei gewesen und hatte ihn noch nicht so weit, dass er die Rolle, die sie zusammen mit ihrem Bruder dabei gespielt hatte, abtun konnte und wollte. Doch auch in diesem Punkt schien sich etwas zu verändern und weniger klar und deutlich zu sein.
Cara stand auf und griff nach ihrem Koffer. Aber Vicenzo war sofort bei ihr und hielt sie davon ab. Als er sie berührte, schreckte sie regelrecht zurück.
„Was hast du vor?“, fragte er etwas ungehalten.
Das erinnerte Cara an den alten Vicenzo, und sie fühlte sich gleich viel sicherer. „Ich gehe. Das wolltest du doch immer.“ Für einen Augenblick hätte Cara schwören können, dass sie so etwas wie Schmerz in seinen Augen sah.
„Ich wollte nicht, dass das passiert, Cara“, sagte er. Aber da war noch etwas in seinem Gesicht. Etwas, das Cara erröten ließ. Schon vorher hatte sie gespürt, dass er nicht so herzlos war, um erleichtert auf die Fehlgeburt zu reagieren. Auf einmal wurde ihr bewusst, dass auch er darunter litt, egal wie zwiespältig seine Einstellung zu dem Baby gewesen sein mochte.
„Es tut mir leid. So habe ich das nicht gemeint … Ich dachte nur, dass du jetzt vielleicht lieber hättest, wenn ich nach Hause gehe“, erklärte sie ihm.
„Vergisst du da nicht etwas?“
„Hm?“
„Deine Schulden?“
Natürlich, Vicenzo dachte immer noch an Rache! Warum sonst hätte er ausgerechnet jetzt ihre Schulden erwähnt?
Währenddessen hätte sich Vicenzo ohrfeigen können. Er wusste auch nicht, was es mit dieser Frau auf sich hatte, dass er immer sofort sagen musste, was ihm gerade durch den Kopf ging. Jetzt zum Beispiel wollte er sie unbedingt hierbehalten, unter seiner Kontrolle. Die Schulden waren das Erste gewesen, das ihm eingefallen war, um sie an sich zu binden. Er fluchte auf Italienisch und fuhr sich durchs Haar.
„Vergiss, was ich gerade gesagt habe. Die letzten Tage waren einfach furchtbar. Du bist nicht in der Verfassung, zu reisen, Cara. Du bist geschwächt und stehst immer noch unter Schock. Mein Vater sorgt sich auch schon um dich.“
„Aber es macht mir nichts aus zu gehen“, zwang sie sich zu antworten. „Vielleicht ist es das Beste, bevor dein Vater mehr von uns erwartet …“
„Nein, Cara, ich lasse dich nicht so gehen.“ Er musterte sie und fluchte wieder auf Italienisch. „Du bist noch wackelig auf den Beinen und ganz blass. Du musst dich ausruhen und wieder zu Kräften kommen. Das wirst du mir doch wenigstens zugestehen.“
In diesem Augenblick wurde Cara schwindelig, und sie schwankte tatsächlich. Sofort war Vicenzo bei ihr und half ihr, sich aufs Bett zu setzen. „Damit wäre das wohl geklärt. Und ich will keine Widerrede mehr hören, Cara, bitte, zumindest fürs Erste nicht. Ich schicke dir Lucia hoch, mit etwas zu essen und damit sie dir hilft, dich fürs Bett fertig zu machen.“
Als Vicenzo etwas später noch einmal leise in Caras Zimmer kam, schlief sie bereits tief und fest. Er setzte sich auf einen Stuhl, stützte den Kopf nachdenklich auf die Fingerspitzen und betrachtete sie. Die Frau war ihm ein Rätsel. Entweder war sie eine ganz raffinierte, geldgierige Heiratsschwindlerin und damit genauso schlimm wie ihr Bruder … oder sie war so ganz anders, dass Vicenzo es nicht beschreiben konnte, weil ihm ein solcher Mensch noch nie begegnet war. Dabei dachte er inzwischen immer öfter daran, wie sie ihm am Abend vor ihrer Fehlgeburt versichert hatte, sie habe ein ganz anderes Leben geführt als Cormac.
Wie auch immer: Er würde Cara in nächster Zeit erst einmal nirgendwohin gehen lassen, bevor er nicht herausgefunden hatte, was für ein Mensch sie wirklich war.
Fast drei Wochen verbrachte Cara beinah wie in Trance, während sie allmählich wieder zu Kräften kam. Vicenzo war sehr freundlich zu ihr, blieb aber auf Distanz. Er erwähnte die Schulden nie wieder, und auch ihre Abreise nicht. Silvio war ihr eine große Hilfe, um den Schmerz zu überwinden. Jeden Tag verbrachten sie Zeit miteinander, lasen, spielten Schach oder unterhielten sich über dies und das. Allegras Hund Doppo folgte Cara ergeben überallhin. Dabei war ihr klar, dass es zum Teil daran lag, dass er sein
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