Verlangen unter falschem Namen
weder spöttisch noch abweisend aus.
„Erinnerst du dich denn gar nicht an letzte Nacht?“
„Ich weiß noch, dass ich furchtbare Krämpfe hatte. Und dann bin ich aufgewacht und … habe das Blut gesehen. Das Baby?“, fragte sie flüsternd.
Er schüttelte langsam den Kopf. „Wir haben es verloren, Cara. Es tut mir leid.“
Wir? Sein Gesicht war ausdruckslos, aber er hatte „wir“ gesagt, als hätte er das Kind auch gewollt. Seinem Blick war nichts zu entnehmen, aber nun fiel Cara alles wieder ein. Alles! In ihrer Kehle begann es zu schmerzen. Sie wollte wei nen – aus Trauer, Wut und Einsamkeit –, und zwar so sehr, dass sie es nicht mehr zurückhalten konnte. Ein bisschen davon war auch Bedauern, weil Vicenzo das Baby nun offensichtlich doch akzeptiert hatte, aber leider zu spät.
„Raus hier, Vicenzo!“, schrie sie dann unter Tränen. „Raus hier!“
„Cara …“
Jetzt betonte er ihren Namen auch noch wie in jener Nacht. Das war einfach zu viel für sie. „Du bist der letzte Mensch auf der Welt, den ich jetzt um mich haben möchte“, sagte sie mit bebender Stimme. „Geh weg!“
Zwar verließ er das Zimmer, ging aber nicht weg, sondern marschierte vor ihrer Tür auf und ab. Dabei verfolgten ihn die Worte des Arztes: Ihre Frau muss wohl unter extremem Stress gestanden haben, dass es zu diesem Abgang gekom men ist …
Seine Frau. Sein Baby. Seine Schuld.
9. KAPITEL
Einige Tage nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus setzte sich Cara am frühen Abend noch einmal auf ihr Bett in der Valentini-Villa, um nachzudenken. Ihre Schwangerschaft hatte sie dazu gezwungen, wieder auf Vicenzo zuzugehen. Dass es dazu nun keinen Grund mehr gab, schmerzte sie – nicht nur, weil sie das Baby verloren hatte. Es klopfte, und Cara atmete tief durch. Gleich darauf kam Vicenzo herein. Er sah angestrengt aus, aber auch ein bisschen erschöpft.
„Was tust du denn da?“, fragte er, als er ihren kleinen Koffer auf dem Bett entdeckte.
„Packen! Ich gehe. Es gibt keinen Grund mehr, diese Farce einer –“
„Cara –“
Cara wirbelte zu ihm herum. „Willst du wohl aufhören, mich so zu nennen! Ich weiß, was mein Name in deiner Sprache bedeutet. Aber ich bin nicht ‚deine Liebe‘. Ironischerweise bedeutet Cara da, wo ich herkomme, Freund. Aber du bist bestimmt auch nicht mein Freund. Also wage es nie wieder, meinen Namen so auszusprechen!“
Als er auf sie zukam, empfand Cara zu ihrem großen Erstaunen plötzlich etwas, das nichts mehr mit Wut zu tun hatte. Das gleiche Gefühl hatte sie jedes Mal gehabt, wenn er seit dem Krankenhausaufenthalt auf sie zugekommen war, um mit ihr zu sprechen. Doch sie hatte nicht mit ihm reden wollen und war ihm so gut wie möglich ausgewichen.
Nun kam Vicenzo immer näher, und seine Augen suchten ihren Blick. Dann setzte er sich so nah zu ihr aufs Bett, dass sie sein Aftershave riechen und seine Körperwärme spüren konnte. Als sie ihn so nah bei sich spürte, zerbarst die dünne Schutzschicht, die sie sich seit ihrem Krankenhausaufenthalt zugelegt hatte. All die aufgestauten Emotionen brachen sich Bahn, und vor lauter Tränen sah sie alles nur noch ganz verschwommen.
Bevor sie weinend zusammenbrach, nahm Vicenzo sie in seine starken Arme und hielt sie so fest, als wollte er sie nie wieder loslassen.
Als Caras Schluchzen langsam weniger wurde, bemerkte sie, dass sein Hemd ganz feucht von ihren Tränen war.
„Es tut mir leid“, wisperte sie.
„Nein!“
Das kam so heftig, dass Cara erstaunt zu ihm aufsah. Vicenzos Mund war nur noch eine dünne Linie. „Nein, dir sollte das nicht leidtun, Cara.“
Er stand auf und drehte ihr den Rücken zu. Doch er sandte ihr auf einmal Signale, die sie nicht für möglich gehalten hätte. Alles zwischen ihnen schien sich irgendwie zu verschieben und zu verändern. Cara konnte es spüren, und merkwürdigerweise machte sie das viel nervöser, als sie es in Vicenzos Gegenwart jemals gewesen war.
Abrupt wandte er sich ihr nun wieder zu und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ich bin hier derjenige, der sich entschuldigen muss. Es ist mein Fehler gewesen – ganz allein meiner –, dass du im Krankenhaus gelandet bist.“
„Nein, Vicenzo. Der Arzt hat gesagt, dass so etwas ziemlich häufig vorkommt. Keiner hat Schuld.“
Dass Cara nicht schimpfte und tobte und diese Gelegenheit beim Schopf ergriff, um ihn anzuklagen, verstand Vicenzo nicht. Als sie in seinen Armen gelegen und geweint hatte, war etwas mit ihm geschehen, auch wenn
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