Verlangen unter falschem Namen
sich gut an. Plötzlich war sie ganz unbeschwert.
Die Frau führte sie in den ersten Stock zu einer Loggia, auf der es nur einen einzigen Tisch gab, der einen herrlichen Blick aufs Meer und den Strand weiter unten bot. Hätte Cara versucht zu beschreiben, wie sie sich das ideale Restaurant am Mittelmeer vorstellte, wäre es genau wie dieses gewesen.
„Es ist einfach wunderbar hier: so still und abgeschieden. Wenn der Mond aufs Wasser scheint, wird es bestimmt ganz zauberhaft sein“, schwärmte sie.
Vicenzo nickte und dachte, dass jede seiner Geliebten spätestens jetzt schreiend davongelaufen wäre – hin zur nächsten Menschenansammlung.
Während er bestellte, dachte Cara noch einmal daran, was er gesagt hatte: dass das zwischen ihnen jetzt nichts mehr mit ihrem Bruder oder seiner Schwester zu tun hätte. Aber woran konnte sie sich dann noch klammern, um sich vor seiner Anziehungskraft zu schützen?
An die Schulden!
Als der Kellner gegangen war, wandte Vicenzo sich ihr zu und lächelte. Dabei hatte sie das Gefühl, jemand hätte die Zeit zurückgedreht, und sie wären wieder bei ihrem ersten Abend im Club, bevor sie gewusst hatte, wer er wirklich war. Sie unterhielten sich sogar wieder über alles Mögliche, auch wenn sich jeder bemühte, brisante Themen zu meiden.
Cara gestand ihm schließlich, dass die Valentini-Coffeeshops früher ihre Zufluchtsstätte gewesen waren. Und Vicenzo erzählte ihr, dass sein Großvater das Familienunternehmen gegründet hatte und es zunächst nur aus einem Olivenhain bestand. Sein Vater machte daraus eine landesweite Ladenkette mit italienischen Produkten, und er selbst baute die Kette dann international aus. Die ganze Zeit über war Vicenzo entspannt, amüsant und charmant. So hatte sie ihn noch nie erlebt, nicht einmal in jener Nacht in London.
Als sie beim Espresso saßen, sah er sie nachdenklich an. „Warum bist du so lange bei deinem Bruder geblieben?“, wollte er dann wissen.
12. KAPITEL
Cara sah einen Moment aufs Meer hinaus. „Als kleines Mädchen habe ich ihn verehrt. Er war mein Held. Er konnte nichts falsch machen.“ Sie klang sehr bewegt und flüsterte beinah. „Cormac war ganz besonders klug. Er hat ein Stipendium an einer Privatschule bekommen. Als die anderen Jungen erfahren haben, dass sein Vater Briefträger ist, haben sie ihn gnadenlos gemobbt. Ich glaube, zu diesem Zeitpunkt hat er begonnen, sich wegen seiner bescheidenen Herkunft zu schämen. Dabei waren unsere Eltern so gute Menschen …“ Sie schluckte. „Sie sind innerhalb eines Jahres gestorben. Mein Vater erlitt einen Herzschlag, und als meine Mutter kurz darauf an Krebs erkrankte, hat sie wohl einfach aufgeben. Zu diesem Zeitpunkt war Cormac schon lange in London, um Geld zu machen. Selbst als Mom im Sterben lag, kam er so gut wie nie nach Hause.“
Vicenzo spürte, wie er wieder richtig wütend auf Cormac wurde. Der Kerl hatte Cara den Tod der Eltern völlig allein tragen lassen. Dabei war sie damals noch fast ein Kind gewesen.
„Und als deine Mutter gestorben ist?“
„Mom hatte mich gebeten, ein Auge auf Cormac zu haben. Sie hat sich solche Sorgen gemacht. Als ich in London ankam, wollte er mich nicht weiter auf die Schule gehen lassen. Ich sollte ihm den Haushalt führen. Trotzdem habe ich es geschafft, mein Abitur in Abendkursen zu machen. Danach habe ich das Fernstudium begonnen.“
Sie sah kurz auf. „Nachdem ich meinen Abschluss hatte“, erklärte sie mit tränenerstickter Stimme, „wollte ich ja gehen. Ich wusste inzwischen, dass ich Cormac sowieso nicht helfen konnte, mit dem selbstzerstörerischen Lebensstil aufzuhören. Allegra hatte Glück, einen Bruder wie dich zu haben. Ich habe immer gehofft, dass sich Cormac eines Tages ändern würde …“ Sie lächelte wehmütig, und Vicenzo drückte ihr die Hand. Dabei verspürte er einen Stich im Herzen, weil auch er Allegra am Ende alleingelassen hatte.
Kurz darauf stellten sie erstaunt fest, dass sie die letzten Gäste im Restaurant waren.
Nachdem Vicenzo bezahlt hatte und sie hinausgegangen waren, wandte er sich Cara zu. Im Mondlicht wirkte sein Gesicht noch markanter als sonst. Er nahm ihre Hand und küsste sie auf die Handfläche, wobei Cara wohlig erschauerte. „Danke, dass du mir von deinem Bruder erzählt hast, Cara“, sagte er dann leise.
Auf der Heimfahrt saß sie wieder eng an ihn geschmiegt. Bei der Villa angekommen, war sie sich seiner so bewusst, dass sie am liebsten auf der Stelle mit ihm geschlafen
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