Verlangen
wird gut werden. Laß uns nach Hause gehen.«
Sie nickte zustimmend und trat zurück, als er ihren Umhang ausschüttelte. Er war staubig, aber ansonsten nicht weiter beschmutzt. Er legte ihn ihr um und dachte, obgleich sie für eine Frau recht groß war, war sie bedeutend kleiner als er. Erneut erwachte in ihm das Bedürfnis, sie zu beschützen.
»Lucas«, sagte sie nachdenklich, während er das Feuer löschte, »wenn du es nicht warst, der meine Tante von unserem Rendezvous in dem Gasthaus in Kenntnis gesetzt hat, wer war es dann?«
Er zuckte die Schultern. »Wer weiß?«
»Vielleicht Lady Atherton? In ihrem nicht enden wollenden Bemühen, dir bei deiner Jagd auf eine reiche Erbin behilflich zu sein?«
Er grinste erleichtert wegen der wiederkehrenden Unverschämtheit in ihrem Ton. »Ich denke, das wäre möglich. Ist das so wichtig? Was passiert ist, ist passiert.« Er nahm ihren Arm und führte sie zur Tür.
»Du hast vollkommen recht«, sagte sie langsam. »Man kann die Dinge nicht ungeschehen machen. Aber mir sind kürzlich in der Stadt ein oder zwei merkwürdige Dinge passiert, und das und die Frage, wer uns wohl nachspioniert haben könnte, veranlaßten mich nachzudenken.«
»Worüber?«
»Völlig egal. Wahrscheinlich bilde ich mir alles nur ein.«
Lucas erstarrte. Er zwang sie stehenzubleiben. »Victoria, wovon in Gottes Namen redest du? Was für seltsame Dinge sind dir passiert?«
»Wirklich, Lucas, es ist nichts. Da bin ich mir sicher.«
»Ich hätte gern eine Antwort auf meine Frage, Madam.«
»Weißt du, Lucas, wenn du in diesem Ton sprichst, fühlt sich jeder in deiner Umgebung genötigt, umgehend durch den nächsten Reifen zu springen. Hast du das beim Militär gelernt?«
Stumm betete er um Geduld. »Genug, Victoria. Erzähl mir, weshalb du mich gefragt hast, wer uns wohl nachspioniert haben könnte. Wir werden hier stehenbleiben, bis du es mir gesagt hast.«
»Mir scheint, daß du beide Male nach unserer wissenschaftlichen Studie nicht besonders liebevoll warst. Beim ersten Mal galten zugegebenermaßen mildernde Umstände. Aber dieses Mal gibt es keine Entschuldigung. Sind alle Männer so?«
»Du kannst es einfach nicht lassen, mich zu reizen, nicht wahr? Eines Tages wirst du zu weit gehen. Wenn du mir jetzt nicht antwortest, ist dies der Tag.«
Victoria zuckte die Schultern. »Nun gut, aber es ist wirklich nicht wichtig. Es ist nur, daß ich zweimal über Gegenstände gestolpert bin, die mir nicht gehörten. Beide waren mit einem >W< gekennzeichnet. Das eine war ein Halstuch, das über dem Griff der Gewächshaustür hing. Ich habe es in der Nacht gefunden, als wir in der Spielhölle waren.«
»In der Nacht, in der du fast von der Kutsche überfahren wurdest.« Lucas runzelte die Stirn. »Und was war das andere Teil?«
»Ausgerechnet eine Tabaksdose. Ich fand sie in meinem Farbkasten.«
»Und niemand schien diese Gegenstände zu vermissen?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf und machte sich auf den Weg zurück zum Haus.
Er ging ihr nach, während er versuchte nachzudenken. »Wann hast du die Tabaksdose gefunden?«
Sie murmelte etwas Unverständliches. Er warf einen ungeduldigen Blick auf ihr abgewandtes Gesicht. »Bitte?«
»Ich sagte, ich fand sie an dem Morgen nach unserem letzten schicksalhaften Gespräch im Garten meiner Tante. Sie werden sich gewiß an den Abend erinnern, Graf. Es war die Nacht, in der ich Sie darum bat, ein...«
»O ja. Diese Nacht. Schicksalhaft, tatsächlich.« Er wog ihre
Worte und versuchte ein Muster zu entdecken, das es nicht gab. »Seltsam.«
»Weshalb sagst du das?«
»Ich wurde in der Nacht von einem Straßenräuber angegriffen, als ich zur Kutsche zurückging«, erklärte er knapp. »Ich fragte mich damals, ob der Mann vielleicht absichtlich auf mich gewartet hatte, hielt diesen Gedanken dann aber für unwahrscheinlich.«
Victoria wirbelte herum. In ihren Augen spiegelte sich Entsetzen. »Du wurdest angegriffen? Von einem Straßenräuber? Weshalb hast du mir das nicht erzählt? Um Himmels willen, Lucas, du hättest etwas sagen sollen.«
»Was zum Beispiel?« Ihre erneute Sorge um seine Sicherheit erfreute und beruhigte ihn.
»Sei nicht so respektlos. Das ist eine ernste Sache. Du hättest verletzt werden können. Hat er dein Geld oder deine Uhr gestohlen?«
»Nein.«
»Nein, natürlich nicht«, stimmte sie schnell zu. »Sicher warst du viel zu schnell für ihn.«
»Du schmeichelst mir. Ich fürchte, die einfache Wahrheit ist, daß ich
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