Verlangen
hat.«
»Woher weißt du das?«
Weil er es mir selbst gesagt hat, schoß es ihr durch den Kopf. Er hat es mir gesagt, als er am Fuß dieser Treppe zu Tode stürzte.
Doch konnte sie Lucas schwerlich erzählen, weshalb sie sich der Schuld ihres Stiefvaters so sicher war. Lucas war einfach zu scharfsinnig. Wenn er erst einmal dieses bißchen Information hätte, würde er darauf drängen, die Einzelheiten zu erfahren, und sie hatte bereits gelernt, daß sie die schlechte Angewohnheit besaß, in seinen Armen allzu vertrauensselig und verletzlich zu sein.
Außerdem, so ermahnte sie sich grimmig, Lucas mochte in mancher Hinsicht ein höchst ungewöhnlicher Mann sein, er würde jedoch kaum besonders tolerant oder verständnisvoll sein, wenn er erführe, daß er mit einer Mörderin verheiratet war.
»Natürlich habe ich keinen richtigen Beweis«, sagte Victoria vorsichtig. »Aber im Innersten meines Herzens weiß ich, daß er schuldig ist.«
Damit gab er sich zufrieden. »Reitunfälle passieren immerzu, Vicky.«
»Meine Mutter war eine hervorragende Reiterin.« Victoria hoffte, damit wäre der Fall erledigt, aber auf seine unnachahmliche Weise drängte Lucas weiter.
»Hast du Whitlock zur Rede gestellt?«
Das kam der Wahrheit gefährlich nahe. »Er wußte, daß ich keine Beweise hatte. Er hat mich ausgelacht.«
Lucas’ Hand spannte sich um ihre Schulter. »Was hast du dann getan?«
»Ich konnte nichts tun. Er starb kaum zwei Monate später, und Tante Cleo und ich empfanden das nur als gerecht.«
»Er wurde am Fuß einer Treppe gefunden, nicht wahr?«
Schnell sah sie zu ihm auf. »Wer hat dir das erzählt?«
Lucas’ Mund verzog sich bitter. »Jessica Atherton.«
»Gewiß hast du von Lady Atherton eine ganze Menge Informationen erhalten.«
»Laß uns nicht wieder anfangen zu streiten. Starb dein Stiefvater auf diese Art?«
»Ja.« Victoria wählte ihre Worte mit Bedacht. »Offensichtlich hatte er in jener Nacht exzessiv getrunken, was bei ihm nichts Ungewöhnliches war. Er stolperte und stürzte eine lange, steile Treppe hinunter. Das war’s.«
»Nicht ganz.«
Sie war überrascht. »Was soll das heißen?«
»Einfach, daß du nach wie vor äußerst erregt bist, wenn du seine Initialen auf einem Halstuch oder einer fremden Tabaks-dose entdeckst. Was ist los, Vicky? Fragst du dich allmählich, ob es wirklich so etwas wie Geister gibt? Dachtest du, Whitlock wäre zurückgekommen, um dich zu verfolgen?«
»Sag so etwas nicht.« Sofort hatte sie sich wieder unter Kontrolle. »Natürlich glaube ich nicht an Geister. Was mich an dem Tuch und der Tabaksdose gewundert hat, war, daß sie beide an Orten lagen, wo ich sie finden mußte.«
»Die Fundstelle des Halstuchs ist wirklich höchst interessant, nicht wahr? Irgend jemand muß gewußt haben, daß du spät in der Nacht durch die Gewächshaustür ins Haus zurückkehren würdest.«
»Ja, genau das ist es, Lucas. Wenn ich daran zurückdenke, frage ich mich, ob uns vielleicht die ganze Zeit über jemand hinterherspioniert hat. Dieselbe Person, die offensichtlich nah genug war, um zu sehen, wie ich in der Nacht die Party verließ und die Kutsche bestieg, die du gemietet hattest«, schloß Victoria.
»Und die uns bis zu dem Gasthaus gefolgt ist? Es wäre möglich.«
»Es hätte Jessica Atherton sein können.«
Lucas klang beinahe heiter. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie Lady Atherton um Mitternacht über die Gartenmauer klettert.«
»Stimmt. Das heißt also, daß jemand anders das Tuch und die Tabaksdose dort deponiert hat. Es sei denn...«
»Es sei denn was?«
Victoria kam eine Idee. »Kannst du dir vorstellen, daß sie einen Spitzel auf uns angesetzt hat?«
»Gerade du, meine Liebe, solltest wissen, wie einfach das ist.«
Auf diese Bemerkung folgte angespanntes Schweigen. Victoria kam der Gedanke, wenn sie logisch überlegt hätte, statt ihrem Herzen zu folgen, wäre sie vielleicht so vernünftig gewesen, selbst einen Spitzel anzuheuern, um ein paar Informationen über den geheimnisvollen Stonevale zu sammeln.
»Ich hatte mich bereits gefragt, wie lange es noch dauern würde, bis du selbst es getan hättest«, sagte Lucas.
Sie runzelte die Stirn. Konnte er etwa ihre Gedanken lesen? »Was?«
Er bleckte die Zähne zu einem bösen Grinsen. »Einen Spitzel auf mich anzusetzen. Das war einer der Gründe, weshalb ich dich so schnell wie möglich heiraten wollte.«
»Sie sind wirklich verabscheuungswürdig, Stonevale.«
»Und außerdem bin ich
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