Verlangen
besänftigt. Offensichtlich war er derart bizarre Dinge gewohnt.
»So ist das also, he?« Er bedachte Molly mit einem anzüglichen Grinsen. »Da haste ja ’ne tolle Nacht vor dir, Molly, Mädchen.«
Victoria wartete ungeduldig auf Lucas, den sie nach wie vor nirgends erblickte. Als der Butler mit ihrem Spazierstock kam, war sie also gezwungen, den Weg durch die Tür ohne ihn zurückzulegen.
»Nun, ich denke, ich ziehe den Komfort meiner Kutsche einem der Zimmer vor«, sagte sie lässig, während sie Molly hinter sich her zerrte.
Die Augen des Mannes verengten sich, und er kreuzte seine fleischigen Arme vor der Brust. »Ich hab’ Ihnen bereits gesagt, daß Sie das kleine Luder nicht mit aus dem Haus nehmen.«
Victoria tat das einzig Mögliche. Sie holte aus und rammte dem Hünen die Spitze ihres Spazierstocks zwischen die Beine.
Mit einem spitzen Schrei fiel der Butler hintenüber, fluchte und umklammerte die getroffene Stelle. Molly fest an der Hand, rannte Victoria zur Tür.
»Zum Teufel«, ertönte Lucas’ Stimme irgendwo hinter ihr. »Ich hätte wissen sollen, daß so etwas passieren würde.«
Der Butler erhob ein Gebrüll und dann hörte man einen dumpfen Aufschlag. Victoria sah sich um und stellte fest, daß der Riese lang ausgestreckt auf dem Boden lag, und Lucas seelenruhig nach Mantel und Handschuhen griff.
»Geht weiter«, befahl er. »Macht, daß ihr in die Kutsche kommt.«
Während all der Aufregung hatte Molly an Victorias Arm gehangen, und nun begann sie, bleich und nervös, ängstlich vor sich hin zu stammeln.
Victoria tätschelte ihr den Arm, während sie sie hinaus in die Nacht geleitete. »Beruhige dich, meine Liebe. Niemand wird dir etwas tun.«
Der Kutscher, der Lucas und Victoria zu dem Bordell gefahren hatte, erwachte aus seinem Nickerchen, ließ die Zügel knallen und fuhr vor. Lüstern begaffte er die arme Molly, die von Victoria in die Kutsche geschoben wurde.
»Ich will nach Hause«, wimmerte Molly. Schluchzend warf sich das Mädchen an Victorias Schulter. »Bitte lassen Sie mich nach Hause nach Lower Burryton gehen, Sir. Meine Ma wird sich schon Sorgen machen. Ich hätte niemals dort Weggehen sollen, aber ich habe gehört, daß es hier in der Stadt eine Menge Arbeit gibt, und meine Familie braucht das Geld.«
»Pst, es ist alles in Ordnung. Du kannst nach Hause gehen, das verspreche ich dir.« Während Victoria noch die unglückliche Molly zu beruhigen versuchte, erschien Lucas in der Tür der Kutsche. Sein Blick fiel auf das weinende Mädchen.
»Nun, sie gehört Ihnen. Was wollen Sie mit ihr machen?« fragte er und bedeutete dem Kutscher loszufahren. »Sie können sie wohl schlecht mit in die Wohnung Ihrer Tante nehmen. Es dürfte Ihnen schwerfallen, ihre Anwesenheit zu erklären, da dann alle Welt erfahren würde, wo wir den heutigen Abend verbracht haben.«
»Wie immer haben Sie recht, Lucas. Wie umsichtig Sie doch sind. Sie kann nicht mit zu mir nach Hause, also müssen Sie sie wohl mitnehmen. Ihre Haushälterin kann sich heute nacht um sie kümmern und sie morgen früh in die Kutsche nach Norden setzen.«
»Verdammt«, sagte Lucas. Doch schien er bereit, sich in das Unvermeidliche zu fügen.
Einige Minuten herrschte Schweigen, das nur von Mollys Schluchzern unterbrochen wurde.
»Haben Sie nun genug von Bordellen?« fragte Lucas schließlich ruhig.
Victoria erschauderte. »Allerdings. Nie wieder in meinem Leben möchte ich einen solchen Ort betreten. Es macht mich krank, Lucas. Daß diese armen Frauen dazu gezwungen sind, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, indem sie sich an diese widerwärtigen Männer verkaufen, ist entwürdigend und gegen jede Vernunft.«
»Ihnen zu gestatten, so etwas zu sehen, ist ebenfalls entwürdigend und gegen jede Vernunft«, sagte Lucas. »Ich mache mir heftige Vorwürfe, daß ich mich habe überreden lassen, Sie dorthin zu begleiten. Langsam denke ich, unsere nächtlichen Ausflüge sind weit genug gegangen.«
Der grimmige Ton beunruhigte Victoria. »Sie wollen damit doch sicherlich nicht sagen, daß Sie unsere Abenteuer als beendet betrachten?«
Bedeutungsvoll sah Lucas zu Molly hinüber, die immer noch vor sich hin schluchzte. »Darüber sprechen wir wohl besser ein andermal.«
»Aber Lucas...«
»Im übrigen schulden Sie mir dreihundert Pfund.«
Lucas lehnte sich in den Sitz und schloß die Augen. »Zuzüglich dessen, was es kosten wird, sie morgen aus der Stadt herauszubringen.«
Victoria rümpfte die Nase. »Wirklich,
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