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Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Titel: Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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ruft Fredrik Stang an: »Hallo, ich bin’s, kannst du schnell überprüfen, ob in der Klasse von Markus Gjerløw auch ein Remi Gulliksen war?«
    »Klar, einen kleinen Moment.«
    Er muss es sein, denkt sich Bjarne und hört, wie Stang die Papiere auf seinem Schreibtisch durchblättert. Von denen, die am Mordtag im Grünerhjemmet waren, kannte Markus Gjerløw angeblich nur Gulliksen. Als alter Schulfreund hätte er problemlos in seine Wohnung gelangen und ihn zwingen können, die Morphiumkapseln zu schlucken.
    »Nein«, meldet sich Fredrik Stang zurück. »Ein Remi Gulliksen steht hier nicht. Aber in seiner Klasse war ein anderer Remi. Ein Remi Winsnes .«
    Den Namen hat Bjarne noch nie gehört.
    »Okay, mach bitte für beide einen Suchlauf, also für Winsnes und Gulliksen. In Kombination mit Jessheim.«
    Ein Klicken und das Klappern der Tastatur sind zu hören. Es vergehen ein paar Sekunden.
    »Ich habe hier einen Treffer bei einem gewissen Nils Jørgen Winsnes und einer Susanne Marie Gulliksen. Sie wohnen in Jessheim unter derselben Adresse.«
    »Das müssen Remis Eltern sein.«
    »Sieht so aus. Vermutlich hat er als Erwachsener seinen Namen geändert.«
    Das ist er, denkt Bjarne wieder.
    »Hier steht auch noch, dass sie in den Achtzigern ein Kind verloren haben«, fährt Stang fort. »Bei einem Unfall.«
    Bjarne antwortet nicht. Seine Gedanken sind bei Emilie Blomvik, die er vor ein paar Minuten vergeblich versucht hat zu erreichen. Es gefällt ihm überhaupt nicht, dass die Überwachung von Blomvik und ihrer Familie nach Markus Gjerløws Tod abgeblasen wurde.
    »Ruf die Polizei in Romerike an, und bitte sie, zu Emilie Blomvik zu fahren«, sagt Bjarne zu Stang. »Und zwar so schnell wie möglich!«
    »Was ist passiert?«
    »Sie sollen überprüfen, ob dort alles in Ordnung ist.«
    »Okay.«
    Als Bjarne das Gespräch beendet, tritt Henning, der dezent auf Abstand geblieben ist, neben ihn. »Ich glaube, ich weiß jetzt, nach wem ihr sucht«, sagt er.
    »Aha?«
    »Er heißt nicht zufällig Remi?«
    71
    Er erinnert sich noch an ihren Geburtstag.
    Achtzehn Jahre. Die Schwelle ins Erwachsenenleben, Führerschein, freier Zugang zu den meisten Kneipen und Bars. Nicht, dass Emilie das gebraucht hätte, sie kam auch vorher schon fast überall hinein, obwohl die Türsteher wussten, dass sie noch nicht alt genug war.
    An jenem Tag schenkte er ihr etwas ganz Besonderes. Ein Bild von zwei Fußabdrücken auf einem Strand, die sich teilweise überlappten. So stellte er sich ihre Zukunft vor. Außerdem hatte er achtzehn langstielige rote Rosen besorgt, obwohl der Mann im Blumenladen meinte, dass man Rosen besser nicht in geraden Zahlen verschenkte.
    Erinnerungen.
    Scheißerinnerungen.
    Er hätte niemals die Zeitung aufschlagen sollen, jedenfalls nicht an diesem Tag. Plötzlich reichte die Vergangenheit wieder bis in die Gegenwart hinein. Die Jahre sind nicht spurlos an ihr vorübergegangen, haben ihr Kinn, ihre Augen verändert, aber sie ist noch immer genauso schön wie früher. Mit diesem ganz speziellen Licht in den Augen, das sich in ihn gebohrt und in seinem Inneren alles auf den Kopf gestellt hat. Es wirkt fast so, als ob das Lächeln, das sie den Lesern der Zeitung Eidsvoll Ullensaker Blad schenkt, ihm gilt. Er hat dagesessen und gehofft, dass die Erde sich auftäte und er in einem tiefen schwarzen Loch verschwinden könnte.
    Sie hatten überlegt, wie ihr Kind heißen sollte, falls sie jemals eines zusammen haben sollten. Sebastian oder Johanne, hatte Emilie gesagt. Ihm selbst war das eigentlich egal, er wollte nur, dass Emilie glücklich und zufrieden sein würde. Und plötzlich sieht er sie vor sich, auf dem Bild in der Zeitung, mit einem Kind auf dem Schoß. Mit einem Jungen namens Sebastian. Er weiß nicht mehr, wovon der Artikel handelte, nur dass das Bild im Kindergarten des Kleinen aufgenommen worden ist.
    Und mit einem Mal sind sie da gewesen.
    Die Erinnerungen.
    Nicht nur Bilder, ein regelrecht körperliches Gefühl, er erlebt alles neu, empfindet die Stiche im Bauch, wenn er an den Orten vorbeigeht, an denen es geschehen ist, den Orten, an denen – laut Emilie – nichts geschehen ist. Aber er weiß ganz genau, dass das alles Lügen sind.
    Denn es ist geschehen. In dem kleinen Wäldchen zwischen der Ampel und dem Schulhof, wo jetzt die neuen Häuser stehen. Sie konnten nicht warten, bis sie zu Hause waren. Markus und Emilie. Sie sind sogar dabei gesehen worden, jedenfalls kursierten sofort Gerüchte. Dabei war sie

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