Verleumdung
hatte sie noch schnell ein paar Mails von ihrem iPod verschickt, die für alles Weitere sorgen würden.
Sie bewegte sich langsam auf die Gebäude vor ihr zu. Eigentlich war dies ein idealer Ort, um ihren Job zu erledigen. Kein Mensch war zu sehen, lediglich ein einsames Taxi auf dem Weg in die Stadt war an ihr vorbeigefahren. Außerdem kannte sie das Gebäude inzwischen nur allzu gut.
Peggy-Lee blieb ein paar hundert Meter vor dem Lagergebäude stehen und kontrollierte ein letztes Mal ihre Waffen. Sie dachte kurz an Kevin Love. Er hatte sie davon überzeugt, dass er nicht versucht hatte, sie umzubringen, aber trotzdem hatte er eine Lektion verdient. Es hatte fast so geklungen, als hätte er komplett vergessen, dass er auf sie angewiesen war und nicht umgekehrt.
Dann holte sie ihr iPhone heraus und erledigte die letzten Details. Sie hatte einen Großteil des Gesprächs im D’Angleterre mit ihrem Telefon aufgezeichnet. Den ersten Abschnitt hatte sie von einer anonymen Adresse aus an die Polizei geschickt, zusammen mit einer Nachricht: Wenn sie interessiert wären, mehr zu hören, könnten sie den Mann, der auf der Aufnahme einen Auftragsmord bestellt hatte, heute Abend am Flughafen festnehmen. Den Rest der Datei hatte sie auf eine Seite geladen, zu der Kevin Love wie besprochen für einen bestimmten Zeitraum Zugang hatte, um sich zu vergewissern, dass sie den Auftrag erfüllt hatte. Wenn sie in ein paar Stunden fertig wäre, würde sie die Bilder von der Toten auf der gleichen Seite ablegen. Mit etwas Glück würde er genau in dem Moment, in dem die Polizei kam, um ihn abzuholen, mit dem gesamten Beweismaterial in den Händen dasitzen.
Ihr tat es fast leid, dass sie zu dieser Zeit schon längst selbst über alle Berge sein würde und nicht beobachten konnte, wie das Grinsen aus seiner Visage verschwand.
*
Der Taxifahrer hatte immer misstrauischer in den Rückspiegel geblickt, je weiter sie den Refshalevej hinausfuhren. Aber Linnea hatte ihn mit gutem Gewissen ignoriert, weil er unterwegs bereits ganz frech eine Bezahlung für die Fahrt nach Virum verlangt hatte.
Sie konzentrierte sich darauf, herauszufinden, wo sie eigentlich genau hinmussten. Die Adresse lautete Refshalevej 315, aber die Gegend war ziemlich einsam und unregelmäßig bebaut, so dass die Orientierung schwerfiel. Es war die Firmenadresse, die Linnea aus dem Handelsregister hatte, und sie nahm an, dass es sich um den Lagerraum handelte, in dem Lex und Jonas einen Großteil ihrer Hehlerware aufbewahrten. Das war natürlich nur eine gewagte Vermutung, aber der Keller in Virum hatte ausgesehen, als sei er gerade leergeräumt worden, so dass Linnea fast damit rechnete, Lex hier draußen anzutreffen.
Als sie endlich ankamen, zweifelte sie nicht mehr daran. Die zwei länglichen Gebäude sahen bei oberflächlicher Betrachtung aus wie verlassene Industriegebäude. Die improvisierten Schilder an den verschiedenen Eingängen verrieten jedoch, dass sich in den Bereichen, die noch nicht dem Verfall überlassen waren, Übungs- und Lagerräume befanden. Vor der Nummer 315 stand lediglich ein Schild mit der Hausnummer, aber davor parkte ein Lieferwagen.
»Warten Sie hier bitte ein paar Minuten.«
»Dann müssen Sie erst für die Fahrt bezahlen.«
Linnea sah den Taxifahrer müde an und reichte ihm wortlos ihre Mastercard. Mit einem Mal begriff sie, dass Jonas hier in der Nähe ermordet worden sein musste. Sie war zwar nicht selbst am Tatort gewesen, aber sie hatte die Polizeiberichte gelesen, bevor sie die erweiterte anthropologische Untersuchung von Jonas’ Leiche hatte durchführen müssen. Vielleicht waren es die Gebäude auf der anderen Straßenseite. Hatte er seinen Mörder etwa hier im Lager getroffen? Und war dann dorthin geflüchtet, wo ihn der Mörder schließlich eingeholt hatte? So könnte es sich abgespielt haben.
»Bitte rufen Sie die Polizei an, wenn ich nicht in fünf Minuten wieder hier bin.«
»Das können Sie doch selbst tun.«
»Und bitten Sie darum, mit Vizepolizeikommissar Thor M. Dinesen sprechen zu dürfen.«
Der Taxifahrer nickte gleichgültig und reichte ihr die Karte zurück. Sie ging zu dem Lieferwagen und warf einen Blick durch das Seitenfenster. Auf dem Beifahrersitz lag die graue Marni-Ledertasche, mit der sie Lex noch am Sonntag gesehen hatte. Sie spürte erneut Wut in sich hochkommen. Sie hatte gedacht, dass sie die Freundin retten müsste, doch die setzte einfach ihre Geschäfte fort, als sei nichts passiert. Dann
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