Verleumdung
war. Und das hatte ihr den Atem geraubt. Angstattacken und die Klaustrophobie. Sie musste jetzt einfach nur ruhig bleiben.
Sie zwang sich, ganz still zu liegen. Zählte bis drei, ehe sie durch die Nase einatmete. Zählte bis drei und atmete aus. Zählte bis drei und atmete ein. Sie spürte, wie ihre Muskeln sich entspannten. Allmählich wurde sie ruhiger und konnte ihre Situation durchdenken.
Sie versuchte, ihre eine Hand zu befreien, doch die Fesseln saßen zu stramm. Das Klebeband schnitt sich tief in ihre Haut, ihre Füße waren schon ganz taub. Selbst wenn sie sich irgendwann befreien konnte, würde sie vielleicht nicht sofort laufen können.
Auch über dem Mund hatte sie Klebeband. Sie begann wieder nach Luft zu ringen, so dass ihr Kehlkopf erneut pfiff und sie winselte wie ein verletztes Tier.
Dieses Mal hatte sie sich jedoch schnell wieder unter Kontrolle. Ihr Herz klopfte noch immer heftig, aber das war nur das Adrenalin in ihrem Körper. Ein gutes Zeichen, denn es bedeutete, dass sie Energiereserven hatte und damit schneller reagieren und denken konnte. Was dringend nötig war, wenn sie überleben wollte.
Sie blinzelte. Jetzt merkte sie, dass es nicht vollkommen dunkel war. Die Tüte war um ihren Hals geknotet. Zu fest, als dass sie sich selbst daraus hätte befreien können, ganz gleich, wie sehr sie ihren Kopf hin und her drehte. Die Tüte war schwarz, aber durch die Struktur drang ein wenig Licht. Linnea begriff, dass es eine Stofftasche sein musste, keine Tüte, sonst wäre sie längst erstickt.
Sie spürte, dass ihre Kopfhaut feucht war, wusste aber nicht, ob es Blut oder Schweiß war. Sie musste sich irgendwo im Inneren des Gebäudes befinden, vermutlich in einem Teil des Lagers. In ihrem Kopf dröhnte der Schmerz, der aber genauso gut von der alten Wunde über dem Auge kommen konnte, die wieder aufgeplatzt war.
Plötzlich vernahm sie ein heiseres Brüllen und unterdrücktes Keuchen. Die beiden Frauen schienen wie rasend miteinander zu kämpfen, bis zum bitteren Ende. Dann fiel etwas zu Boden. Ein metallisches Klirren war zu hören. Eine Pistole, die aus einer Hand geschlagen worden und heruntergefallen war. Linnea hörte auch, wie sie über den Boden gekickt wurde.
Sie versuchte, sich ein wenig mehr auf die Seite zu rollen, und stellte fest, dass sie mühsam vorwärtsrobben konnte, wenn sie ihre Beine ein wenig anzog und sich damit abstieß, wie ein Trockenschwimmer.
Nebenan erklangen ein weiteres dumpfes Stöhnen und dann ein hastiges metallisches Schaben.
Die Pistole wurde wieder aufgehoben.
*
Als der Schuss fiel, warf Thor sich fluchend auf den Boden. Sein Herz raste. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Befand sich Linnea dort drinnen? War ihr etwas zugestoßen?
Dann kam er wieder auf die Beine. Er zählte bis drei und rannte los. Vier Schritte, dann warf er sich hinter den Lieferwagen, damit er in der Deckung zu seinem Auto gelangen konnte. Der Schuss war im Inneren des Gebäudes abgefeuert worden und hatte vermutlich nichts mit seiner Anwesenheit zu tun. Wenn er Glück hatte, war er noch nicht entdeckt worden. Und je länger das so blieb, desto größer war seine Chance, die Situation in den Griff zu bekommen.
Lautlos öffnete er die Autotür und griff in das Handschuhfach. Er fluchte. Nichts. Verzweifelt wühlte er alles einmal durch, doch ohne Erfolg.
Endlich fiel ihm ein, wo er seine Heckler & Koch zuletzt hingelegt hatte, und holte sie aus dem Seitenfach. Sicherheitshalber ließ er die Tür offenstehen. Dann nahm er sein Handy und flüsterte die Adresse hinein, nachdem er zum Politigården durchgekommen war.
»Verstärkung und einen Krankenwagen«, fügte er noch schnell hinzu. »Es könnte Verletzte geben.«
Anschließend stellte er sein Telefon auf lautlos. Er suchte erneut hinter dem Lieferwagen Deckung, dann nahm er die Pistole und spannte den Hahn. Die Waffe war einsatzbereit.
Noch immer konnte er nichts anderes hören als seinen eigenen, schweren Atem, den er zu kontrollieren versuchte. Mit einem Mal wirkte alles ruhig und friedlich. Der Gedanke, dass er sich getäuscht hatte, war zu verlockend: dass es gar keinen Schuss gegeben hatte.
Die Pistole fest im Griff, rannte er wieder zum Tor, setzte sich einen Augenblick daneben und spähte durch den Schlitz, konnte aber nichts erkennen. Draußen war es zu hell.
Er wartete einige Sekunden. Schließlich hatten sich seine Augen halbwegs an die Dunkelheit gewöhnt, und er konnte mit Sicherheit ausschließen, dass
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