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Verleumdung

Verleumdung

Titel: Verleumdung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Vad Bruun , Benni Boedker
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stellte sie fest, dass die andere Hälfte ihres Honorars bereits wie vereinbart eingegangen war. Die ersten fünfzig Prozent wurden schon bei der Anfrage fällig.
    Sie spielte schon lange in einer Liga, in der allein die Anfrage nach ihrer Arbeitskraft viel Geld kostete.
    *
    Jonas hatte schon seit sechs Uhr morgens an seinem Stammplatz in der Küche gesessen. Vor etwa zwei Stunden, als die ersten Vögel zu zwitschern begannen, hatte er den Versuch zu schlafen aufgegeben. Er stand völlig neben sich, und sein Körper signalisierte ihm deutlich, dass er unter Schlaf- und Essenmangel litt. Er konnte sich nur schwer konzentrieren und bemühte sich, den Text einer weiteren kryptischen Postkarte von Overbye zu entziffern, die am Kühlschrank hing. Die größten Buchstaben konnte er mit Mühe und Not entziffern, aber einen kurzen Moment später verschwammen sie bereits vor seinen Augen und bildeten neue Wörter. M-Ö-R-D-E-R, stand da plötzlich, und Jonas spürte das allzu bekannte Pochen in seinen Ohren und den bitteren Geschmack im Mund. Er blinzelte kurz und las: FEIGLING. Doch er brachte es nicht über sich, die Buchstaben noch weiter zu fixieren: JETZT BIST DU AN DER REIHE ZU STERBEN.
    Jonas kniff die Augen zusammen und presste seine Handflächen gegen die Ohren. Plötzlich bildete er sich ein, Firaz’ Gelächter zu hören. Erst schallte es aus dem Keller, dann aus dem Schlafzimmer, in dem Lex noch immer schlief. Als Jonas seinen Blick in den Garten schweifen ließ, um dort draußen einen realen Fixpunkt zu finden, tauchte das grinsende Konterfei des Irakers plötzlich vor seinem eigenen Spiegelbild an der Fensterscheibe auf. Er war dabei, völlig die Kontrolle über sich zu verlieren. Er hatte schon lange am Abgrund balanciert, doch jetzt hatte er das Gefühl, tatsächlich gesprungen zu sein – im freien Fall in den Wahnsinn. Und eigentlich schien ihm der Gedanke mittlerweile gar nicht mehr so erschreckend.
    Außerdem waren es ja seine und Lex’ eigene Handlungen, die zu diesem Leben geführt hatten, in dem er kaum noch in der Lage war, seiner Arbeit nachzugehen. Ja, fast nicht mehr imstande war, noch mit jemand anderem als Lex ein Gespräch zu führen. Und auch mit ihr kaum noch.
    Jonas hob seinen Kaffeebecher, um Firaz zuzuprosten, der mittlerweile neben dem Herd stand und ihn anstarrte.
    »Ganz ruhig, my man. In weniger als vierundzwanzig Stunden sehen wir uns in der Hölle wieder.«
    Er erschrak über seine eigene Stimme. Sie klang heiser und höher, als er erwartet hatte. Plötzlich streckte Lex ihren Kopf zur Tür herein.
    »Mit wem redest du denn zu dieser unchristlichen Zeit, Jonas?«
    Sie sah verschlafen aus. Ihm wurde bewusst, dass er sie wohl zum ersten Mal im Laufe ihrer zehnjährigen Beziehung vor ihrer Morgentoilette sah, was sie sonst nie zuließ. Sie sah hübsch aus mit ihrem langen hellblonden Haar, das wirr von ihrem Kopf abstand. Ihr schwarzer Morgenmantel war selbstverständlich elegant und passte perfekt zu dem Seidenpyjama, den sie darunter trug. Er spürte, wie sich seine Liebe zu ihr mit einer großen Trauer darüber mischte, wie es mit ihnen beiden geendet war, und dass er sie mit Sicherheit nie wieder so zu Gesicht bekäme. Einen Moment lang überlegte er, ob diese ungewohnte Lex womöglich auch seiner Phantasie entsprungen sein könnte. Aber sie sprach weiter in diesem beharrlichen, ungeduldigen Ton zu ihm, den er nur zu gut kannte.
    »Antworte mir doch, Jonas. Was machst du so früh schon hier? Du brauchst vor dem Treffen Schlaf, darüber haben wir doch gesprochen.«
    Jonas atmete tief ein und ließ sich fast widerwillig in die Wirklichkeit zurückreißen. Er schenkte seiner Frau ein vorsichtiges Lächeln. Offenbar wurde sie sich gerade ihrer natürlichen Gestalt bewusst. Sie strich sich mit einer Hand das Haar glatt und fuhr sich mit der anderen über das Gesicht, als wolle sie sich eine vorübergehende Maske überziehen, die sie beschützte, ehe sie ins Bad ging. Sie entfernte sich keinen Zentimeter vom Türrahmen, als wollte sie ihm ohne ihren üblichen Schutzschild nicht zu nahe kommen. Sie blickte ihn ernst an.
    »Du hast dir noch gar keinen Plan überlegt, wie du den Abend lebend überstehen willst, oder?«
    »Na ja … doch.«
    Seine Lüge war offenbar nicht sehr überzeugend, denn sie runzelte die Stirn, und ihre grauen Augen durchbohrten ihn förmlich. Vielleicht hatte er sich auch nicht genug Mühe gegeben. Und plötzlich war ihm alles egal.
    »Lüg mich nicht an,

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