Verleumdung
umsonst gewesen sein sollte, musste er handeln, ehe Love selbst darauf kam, dass etwas nicht stimmte.
Drei Tage später war Jonas nach einer weiteren Nacht mit Alpträumen erwacht, seine täglichen fünf Kilometer gejoggt und hatte sofort zum Telefon gegriffen, als er aus der Dusche kam. Er rief von einer Prepaid Card aus an, die er sich eigens zu diesem Zweck angeschafft hatte. Es klickte ein paar Mal am anderen Ende, bis ein Freizeichen ertönte. Schon nach dem zweiten Klingeln meldete sich die Stimme.
»Wie kommen Sie an diese Nummer?«
Jonas räusperte sich und versuchte, mit fester Stimme zu reden.
»Spreche ich mit Kevin Love?«
Eine Weile lang blieb es am anderen Ende der Leitung still. Dann folgte ein tiefer Atemzug, der Ungeduld verriet.
»Ich habe wohl nicht deutlich genug gesagt, dass man unter dieser Nummer nicht anruft, ohne sich vorzustellen und sein Anliegen vorzutragen.«
Dann legte er auf. Jonas stand mit dem Telefon in der Hand da und fühlte sich wie ein Schuljunge. Er beeilte sich, die Wahlwiederholung zu drücken, und wieder war das zweifache Klicken zu hören. Diesmal ging Love schon nach dem ersten Klingeln dran.
»Ja?«
»Bitte verzeihen Sie. Jonas Holm Neergaard mein Name. Wir haben über Firaz zusammen Geschäfte getätigt. Einige Änderungen haben stattgefunden.«
Loves reservierter Tonfall stand in direktem Kontrast zu seiner behaglichen Stimme.
»Dänemark, aha. Ich höre. Und würde immer noch gern erfahren, woher Sie meine Nummer haben.«
Fast ohne Stottern erzählte Jonas die Geschichte, auf die er und Lex sich geeinigt hatten: Firaz habe nebenbei andere Geschäfte gemacht und sich dadurch Probleme mit einheimischen Gangstern eingehandelt. Die Sache sei eskaliert, weshalb er gezwungen gewesen sei, von einem auf den anderen Tag zu fliehen und weit weg von hier unterzutauchen. Vor ein paar Tagen sei er unangemeldet bei Jonas zu Hause aufgetaucht und habe ihn gebeten, die Zusammenarbeit mit Love zu übernehmen. Denn er sei ja bereits in die Sachlage involviert und habe die wichtigen Kontakte zu den Kunden.
Nachdem Jonas seine Erzählung beendet hatte, entstand eine längere Pause. Er konnte spüren, wie der Puls gegen seine Schläfen pochte. Dort auf dem Stuhl in der Garage hatte Firaz geschworen, er habe Love nichts von seinen Plänen gesagt, die Geschäfte ohne Jonas weiterzuführen. Aber wer konnte schon genau ahnen, welche Lügen er erzählt hatte, um sein Leben zu retten? Wenn Love etwas wusste, hatte Jonas soeben sein eigenes Todesurteil unterschrieben.
»Khalid hatte seine Gier noch nie richtig unter Kontrolle. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie ihn in die Bredouille bringt. Aber ich hätte gedacht, er würde mehr tun, um dieses lukrative Geschäft aufrechtzuerhalten.«
Es klang fast so, als würde Love mit sich selbst reden. Jonas hielt den Atem an und wartete, dass Love weitersprach.
»Du bekommst eine Chance, eine einzige Chance. Du sorgst dafür, dass die nächste Ladung sicher in Dänemark eintrifft. Ein bisschen Praxiserfahrung kann dir nicht schaden. Erledigst du diese Aufgabe erfolgreich, können wir anschließend über die Details verhandeln. Falls es etwas zu verhandeln gibt.«
Die zuschlagende Tür versetzte Jonas zurück in die Gegenwart. Er sah auf die Waffe in seinen Händen und danach auf seine Uhr. Drei Stunden hatte er hier im Schlafzimmer gesessen und seine alte Beretta gereinigt. Erschrocken legte er die Pistole weg und war plötzlich nicht mehr ganz sicher, welchen Gedanken er da nachgehangen hatte.
Er erinnerte sich wieder, dass er sich auf das Treffen vorbereiten wollte, dass er zum Handeln gezwungen war, sich in großer Gefahr befand und sich selbst schützen musste. Aber er hatte auch das furchteinflößende Gefühl, dass seine Gedanken immer wieder zu der Möglichkeit zurückwanderten, dem Ganzen ein Ende zu setzen. Die Pistole für das Einzige zu nutzen, was diesen Wahnsinn stoppen konnte. Gegen einen Mann wie Kevin Love war er ohnehin machtlos. Und wenn es morgen nicht vorbei war, würde es immer so weitergehen – so lange, bis er tot war. Vielleicht sogar so lange, bis auch Lex tot war. Ihnen blieb keine andere Möglichkeit, als sich der Polizei zu stellen, alles zu enthüllen und um Schutz zu bitten. Er musste Lex dazu bringen, zu verstehen, dass alles andere Wahnsinn war.
Jetzt rief sie da draußen nach ihm, aber irgendetwas brachte ihn dazu, ihr nicht zu antworten. Als ob die Sekunden, die er damit gewann, ihr nicht in die
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