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Verleumdung

Verleumdung

Titel: Verleumdung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Vad Bruun , Benni Boedker
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erahnen. Wenigstens war der Tote kein Unbekannter mehr. Vor einigen Stunden hatte Thor ein kurzes Telefonat mit seiner Frau Alexandra Neergaard geführt.
    »Wissen Sie, was er Freitag auf der Refshaleinsel vorhatte?«, hatte er sie gefragt.
    Aber sie hatte darauf keine Antwort gewusst. Sie war schweigsam gewesen und hatte immer nur wiederholt, dass sie nicht verstehen könne, was passiert sei. Sie schien ihm eine starke Frau zu sein, die ihr Schicksal sicher würde meistern können. Aber sie kam ihm auch eine Spur arrogant vor, obwohl er das nicht gern über eine Frau dachte, die gerade auf eine solch grausame Weise ihren Mann verloren hatte.
    »Er ist nachmittags von zu Hause losgefahren«, hatte sie erklärt. »Er wollte zu unserem Haus in Faxe Ladeplads.«
    »Sie haben ein gemeinsames Ferienhaus?«
    »Ja, eigentlich gehört es mir. Es müsste mal wieder neu gestrichen werden. Wir waren schon lange nicht mehr da.«
    »Wann haben Sie zum letzten Mal von ihm gehört?«
    Sie fing erneut an zu weinen. Ihm wurde klar, dass er mit einer ausführlichen Befragung eigentlich erst später beginnen dürfte. Sie hatte die Nachricht vom Tode ihres Mannes eben erst erhalten und stand noch immer unter Schock. Aber es war wichtig, dass sie schnell zu neuen Erkenntnissen gelangten.
    »Hat er sich zwischendurch irgendwann bei Ihnen gemeldet?«
    Sie verneinte. Anscheinend hatte sie erst im Laufe des Samstags mit einem Anruf von ihm gerechnet, und zu diesem Zeitpunkt war er bereits tot gewesen. Thor hatte das Telefonat beenden wollen, sich dann aber dennoch die Frage erlaubt, ob Jonas irgendwelche Feinde hatte. Sie hatte das abgestritten, der bloße Gedanke daran hatte sie schockiert. Doch dann hatte sie, fast wie zu sich selbst, etwas geflüstert, was er kaum hören konnte.
    »Entschuldigung, ich habe Sie nicht ganz verstanden.«
    »Ach nichts, ich rede nur vor mich hin. Es ist Unsinn.«
    »Das macht nichts, alles kann von Bedeutung sein.«
    »Aber es ist schon so lange her. Am Ende hat sich ja rausgestellt, dass an der Sache nichts dran war.«
    Und dann erzählte sie halb widerwillig, halb peinlich berührt darüber, dass sie die Sache ausgeplaudert hatte, von damals, als Jonas im Irak war, damals, als er Leutnant gewesen und in Basra stationiert war. Es habe Anschuldigungen gegeben, irgendetwas mit einem Skandal wegen der Behandlung Gefangener, Folter, illegale Verhörmethoden, solche Dinge. Man habe in der Sache ermittelt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass Jonas nichts vorzuwerfen sei. Aber es gebe ja immer Leute, die Unmut hegten oder dennoch meinten, es sei ein Unrecht begangen worden. Und damit war Alexandra Neergaard plötzlich verstummt, und er hatte kein Wort mehr aus ihr herausbekommen.
    »Ist da jemand? Hier spricht die Polizei!«
    Ein plötzliches Geräusch hatte Thor dazu veranlasst, sich hastig aufzurichten. Er hatte gerade auf dem Boden gekniet, um die Blutspuren ein weiteres Mal zu verfolgen und sich vorzustellen, was hier irgendwann in der Nacht von Freitag auf Samstag passiert sein könnte. Mitunter konnte ein Tatort alles darüber erzählen, was zu dem Zeitpunkt geschah, an dem die Gewalt ausbrach und die Situation eskalierte. Das setzte jedoch voraus, dass man imstande war, genau nachzuhorchen. Und Thors Versuch zu verstehen, was für ein grausames Schauspiel an diesem Ort stattgefunden hatte und warum, war soeben von einem fremden Geräusch gestört worden.
    »Kommen Sie raus, hier ist die Polizei!«
    Er trat auf den kleinen Platz und musste erneut gegen die Sonne blinzeln. Das Geräusch war aus dem ersten Stock gekommen, oben bei der Bootswerft. Momentan war nichts zu sehen und nichts mehr zu hören, aber er war sich sicher. Es hatte wie das Klappern eines Fensters geklungen, aber es war völlig windstill, und aus irgendeinem Grund zweifelte er daran, dass eine Katze oder eine Ratte die Lärmquelle war. Nein, er war nicht allein am Tatort.
    Thor sah sich genau um und ging dann auf das Werftgebäude zu. Neben dem Eingang befand sich eine Außentreppe aus Stahl, die zu dem Anbau mit der Werkstatt führte. Er hatte eine vage Idee, dass das Geräusch von hier gekommen sein könnte, dass es möglicherweise von jemandem stammte, der gerade die Treppe rauf- oder runtergegangen war. Vorsichtig legte er eine Hand auf die Türklinke, drückte sie herunter und stellte fest, dass die Tür unverschlossen war.
    Er spürte seinen Puls schneller werden. Hier sollte eigentlich abgeschlossen sein, dessen war er sich ziemlich

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