Verleumdung
er nicht wegrückte. Doch er blieb sitzen und registrierte mit Begeisterung, dass sie mit ihm flirtete. Innerhalb von Sekunden hatte sie von mörderischer Kaltblütigkeit auf verführerische Unterwerfung umgeschaltet. Und er wusste genau, dass es diesmal nicht an seinem Überzeugungsvermögen lag. Er wusste, dass ihr völlig klar war, was er hier bei ihr in Virum suchte, und auch, welche Rolle er beim Tod ihres Mannes gespielt hatte. Nichtsdestotrotz saß sie hier und machte ihm schöne Augen; sie war schnell darin, sich mit den neuen Machtverhältnissen in ihrem Spiel zu identifizieren. Er war gekommen, um sich zu vergewissern, dass alle Spuren des gemeinsamen Geschäfts beseitigt waren. Jetzt musste er zu seiner großen Überraschung erkennen, dass er in Wirklichkeit mit jemand ganz anderem zusammengearbeitet hatte, als er gedacht hatte. Diese Frau war seine Geschäftspartnerin gewesen, und zwar viel mehr als nur ein »stiller Teilhaber«, wie es so schön hieß.
Sie sah zu ihm auf.
»Wir haben so ein gutes Netzwerk aufgebaut. Es wäre eine Schande, wenn das alles zusammen mit Jonas verschwinden würde. Haben Sie jemals in Betracht gezogen, eine andere Partnerin in das Geschäft einzubinden?«
Sie setzte sich zurecht, und Kevin Love wahrte noch immer sein neutrales Gesicht.
»Aber ich möchte auch etwas davon haben. Jonas hat oft davon gesprochen, dass der Ertrag vielleicht ein wenig anders verteilt werden müsste. Denn immerhin tragen wir ja das ganze Risiko.«
Er sah die ehrgeizige Frau an, ohne eine Miene zu verziehen, dabei amüsierte es ihn.
»Meinerseits besteht kein Bedarf an einer Diskussion, wer das größte Risiko trägt. Die Bedingungen haben wir längst geklärt«, sagte er dann.
39
D ir ist schon bewusst, dass wir eine psychisch labile Person grob verunglimpfen, wenn sie nichts mit der Sache zu tun hat?«
»Doch, das hat er, und ich weiß es.«
Daniel Kraus nickte langsam und trank einen Schluck Kaffee. Dann reichte er die andere Tasse Thor, der sie entgegennahm, obwohl er nicht die Absicht hatte, noch mehr von dem braunen Gebräu zu trinken.
»Oder bist du etwa anderer Meinung? Die drei Männer sind in den Fall aus dem Camp Dannevang verwickelt. Ein irakischer Dolmetscher und zwei dänische Offiziere, des Weiteren vier mündige Soldaten, die lediglich verschwommene Zeugenaussagen abgeben. Der Dolmetscher und einer der Offiziere wurden ermordet aufgefunden. Zwar liegen zwischen den beiden Todesfällen eineinhalb Jahre, aber wir finden die Leichen in ein- und derselben Woche. Und der andere Offizier von damals sitzt dort drinnen und will nichts sagen.«
»Und das Wenige, was er gesagt hat, war ganz offensichtlich gelogen.«
Thor nickte. Bisher war das Verhör ziemlich unbefriedigend verlaufen. Wenn der frühere Hauptmann Uffe Overbye Jakobsen überhaupt etwas gesagt hatte, hatte er lediglich bereits feststehende Tatsachen geleugnet. Er hatte bestritten, dass man ihn beschuldigt hatte, seinerzeit im Irak an der Folterung von Gefangenen teilgenommen zu haben. Außerdem behauptete er, den ermordeten Jonas Holm Neergaard nicht näher zu kennen, und weigerte sich zuzugeben, dass er seit seiner Rückkehr vom letzten Einsatz in psychologischer Behandlung war. Er wollte schlichtweg nichts erzählen, nicht einmal, als sie ihm Dokumente gezeigt hatten. Allerdings konnte man schwer beurteilen, ob das verdächtige Verhalten des Mannes tatsächlich damit zu erklären war, dass er etwas zu verbergen hatte und sehr genau wusste, dass es oft am besten war, zu schweigen.
Thor und Daniel Kraus hatten Uffe Overbye am Vormittag unangemeldet aufgesucht. Sie wollten mit ihm über seine Zeit im Irak sprechen, in der er und ein Verhöroffizier eng mit Neergaard zusammengearbeitet hatten. Während sie noch auf das Ergebnis der DNA-Analyse warteten, war es am aussichtsreichsten, sich zunächst im persönlichen Umfeld des Verstorbenen umzuhören. Doch das ging gehörig schief, oder verlief zumindest anders als erwartet.
Uffe Overbye hatte ihnen selbst die Tür geöffnet, in kurzen Hosen und einem legeren Sommerhemd. Er hatte sich sofort geweigert, sie zu einem Gespräch ins Haus zu lassen, und stur darauf beharrt, nichts sagen zu wollen. Er wusste genau, dass er der Polizei lediglich seinen Namen und sein Geburtsdatum nennen musste, solange er nicht als Tatverdächtiger verhaftet worden war. Fast schien es, als hätte er sich in dieser Angelegenheit rechtlich beraten lassen. Als er dann auch die Tür zuschlagen
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