Verleumdung
wollte, schob Thor seinen Fuß dazwischen.
»Können wir nicht kurz hereinkommen und uns ein wenig umsehen? Ein Anruf, und ich habe einen Durchsuchungsbefehl. Nicht, dass Sie irgendwelche Waffen oder andere Dinge bei sich herumliegen haben, zu deren Besitz Sie gar nicht befugt sind?«
Daraufhin hatte Uffe Overbye die Tür hinter sich geschlossen und war mit ihnen gekommen.
»Wie konntest du das wissen?«, hatte Kraus ihm auf dem Weg zum Wagen zugeflüstert.
»Nicht schwer zu erraten, das haben die doch alle.«
Anschließend hatten sie allerdings nicht mehr viel aus ihm herausbekommen. Er war insofern kooperativ, als er zum Politigården mitkam und während des ganzen Gesprächs brav sitzen blieb. Dass er kooperierte, konnte man nicht gerade behaupten.
»Wenn er nichts sagt, müssen wir ihn wieder laufen lassen. Wir können ihn nicht festnehmen und ihn die üblichen vierundzwanzig Stunden hierbehalten. Nicht, wenn wir nichts gegen ihnen vorzuweisen haben, und schon gar nicht, wenn er in einem solch labilen Zustand ist.«
Thor nickte. Wie immer war Kraus in der Lage, die Dinge vernünftig und wohlüberlegt zu analysieren, obwohl auch er einen Durchbruch haben wollte.
»Ganz deiner Meinung. Und wir hätten sofort eine Klage wegen unverantwortlicher Behandlung eines psychisch Kranken am Hals, kaum, dass wir ihn haben laufen lassen. Er benimmt sich jedenfalls wie einer, der unter einem Granatenschock leidet, oder wie auch immer die Psychologen das nennen. Aber wir sollten ihm eine letzte Chance geben, uns etwas zu erzählen. Wie gut kennst du dich mit kognitiven Befragungsmethoden aus?«
Statt einer Antwort hielt Kraus die Hand hoch und zeigte mit dem Zeigefinger und dem Daumen einen Abstand von etwa einem halben Zentimeter an.
»In Schweden hat man damit schon phantastische Ergebnisse erzielt. Du weißt schon, außer bei pathologischen Lügnern oder denjenigen, die gründlich von ihren Anwälten geschult wurden, geht es niemals darum, ob ein Verdächtiger anfängt zu reden, sondern nur, wann er es tut.«
Kraus blickte ihn noch immer verständnislos an.
»Es ist die Aufgabe des Verhörleiters, den Verdächtigen glauben zu lassen, er wisse, dass er der Täter sei, und zwischendurch anzudeuten, woher er es weiß. Aber man erzählt nie direkt alles, was man weiß, und man fragt nie direkt nach etwas.«
Kraus hob die Augenbrauen und tat übertrieben beeindruckt. Dann leerte er seine Kaffeetasse und stand auf.
»Vielen Dank für den Vortrag. Dann lass uns mal loslegen.«
*
»Sie interessieren sich für antike Gegenstände?«
Linnea wandte sich dem jungen Mann zu, der trotz der Hitze Anzug und Hemd trug. Allerdings keine Krawatte, was vermutlich ein kleines Zugeständnis an die hohen Temperaturen war.
»Ja, vor allem für Dinge aus dem Nahen Osten. Ich habe in Ihren Katalogen im Internet gesehen, dass Sie einiges davon verkauft haben. Aber zurzeit scheinen Sie nichts im Angebot zu haben?«, erwiderte Linnea.
Sie folgte ihm zum Tresen neben dem Eingang, wo er sofort etwas in seinen Computer eingab. Auf dem Weg vom Rechtsmedizinischen Institut nach Hause war Linnea zum Auktionshaus Ellemose in der Bredgade gegangen. Die Räume hatten hohe Decken, die Wände waren voller Gemälde. Ringsherum standen Vitrinen mit Schmuck und Antiquitäten, die man vor den anstehenden Auktionen in Augenschein nehmen konnte. Hier gab es Kunst von einem Kaliber, wie man sie normalerweise nur im Museum fand. Kaum zu fassen, dass sich all dies tatsächlich in Privatbesitz befand und nur für kurze Zeit von der Öffentlichkeit bestaunt werden durfte, ehe es für sechsstellige Summen unter den Hammer kam.
Die Idee, hierherzukommen und ein wenig zu recherchieren, war Linnea zufällig gekommen. Die Entscheidung, selbst etwas unternehmen zu müssen, war hingegen schon seit dem Abend zuvor in ihrem Kopf gereift. Obwohl das nicht gerechtfertigt war, hatte sie ein schlechtes Gewissen gegenüber Lex. Es fühlte sich nicht richtig an, dass sie die Leiche von Jonas Holm Neergaard erst untersucht und noch dazu ein zweites Mal obduziert hatte. Zu einem Zeitpunkt, als die Freundin vom Tod ihres Mannes schwer getroffen war und obendrein darum bettelte, ihn endlich beerdigen zu dürfen. Sie empfand sich selbst als Verräterin, und sie hatte ein Bedürfnis danach, etwas wiedergutzumachen und zu helfen. Als sie Thor am Vormittag ihre Ergebnisse vorgetragen hatte, hatte sie ihm auch von der Tontafel erzählt und dass diese vermutlich ein Souvenir aus
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