Verlieb Dich nie in einen Tierarzt
hindurchgeschlüpft. Eine war sogar vom Garagendach gesprungen. Jill zählte sie stirnrunzelnd. Es waren zwölf. Also mußte sie warten, bis die Schar vollzählig war. In der Zwischenzeit rührte sie die Milch an, gab den Hunden ihren Anteil und stellte die Schüsselchen für die Katzen zurecht. Dabei hörte sie besorgt das klägliche Meckern der kleinen Ziege. Irgendwann würde sie auch dieses Problem lösen müssen.
Endlich waren die Hunde versorgt und die Katzen vollzählig versammelt. Jill war es vorher niemals aufgefallen, wie viele Variationen der normalen Hauskatze möglich waren. Die Mehrzahl der hier versammelten kleinen Raubtiere konnte Jill getrost als Feld-Wald-und-Wiesenkatzen bezeichnen, ohne ihnen zu nahe zu treten. Bei einem schmucken Kater aber schien ein siamesischer Vorfahre für Charme und Temperament gesorgt zu haben. Mit penetrantem Miauen verlangte er lautstark seine Mahlzeit. Aparte Mischungen waren auch die drei anderen Katzen, die Evelyn als >Perserkatze<, >flauschig< und >sehr flauschig< beschrieben hatte. Eine besonders schöne weiße Katze fiel Jill auf, weil sie sich vornehm abseits vom Getümmel hielt. Alles in allem sechzehn hungrige Katzen, die auf die Fütterung warteten. Jill raffte sich auf, holte das Fleisch und stellte sich auf die oberste Stufe. Sie brauchte nicht lange zu rufen. Die Katzen stellten sich im Halbkreis auf, und sechzehn Augenpaare starrten lauernd auf die Fleischbrocken in ihrer Hand.
Jill war froh, daß sie beim Cricketspielen so gut zielen gelernt hatte. Schnell und präzise geworfen, flogen sechzehn Fleischbrocken durch die Luft, und sechzehn Katzen fingen sie ebenso gekonnt auf. Dann benahmen sie sich genauso, wie man es von Katzen erwartet. Die einen schleppten ihre Beute zu ihrem Lieblingsplatz, andere wieder fraßen gleich an Ort und Stelle, wobei sie mit wachsamen Augen auf Räuber achteten. Einige zogen sich ins Gebüsch zurück, um in Ruhe zu speisen. Nur Big Jimmy benahm sich wie ein Lümmel. Er verschlang hastig die eigene Portion und stürzte sich dann auf eine von Millies Töchtern, die vor einem Rosenbusch saß und beim Essen trödelte.
Jill stürzte sich auf Big Jimmy, um ihn von seinem bösen Vorhaben abzubringen, und wurde prompt gekratzt. Daraufhin scheuchte sie ihn mit dem Besen in den Geräteschuppen und sperrte die Tür zu. Als die anderen ihr Fleisch verputzt hatten, versammelten sie sich wieder alle friedlich bei ihren Milchschälchen, die Jill auf den Rasen stellte. Nun konnte sie aufatmen. Hunde und Katzen waren versorgt, und das Vogelfutter war rasch aufgefüllt. Wasser hatten die Vögel noch genügend.
Es war sechs Uhr, und Evelyns Fütterungsprogramm wäre nun erfolgreich beendet gewesen, wenn nicht das jammervolle Wehklagen des Zickleins sie an ihre Pflicht gemahnt hätte. Irgendwie mußte sie das ausgehungerte Ziegenbaby füttern und ihm ein Nachtlager bereiten.
Warme Milch könnte nicht schaden, dachte Jill und versuchte, dem Zicklein einen Löffel voll einzuflößen. Empört spuckte das derart überforderte Ziegenbaby die Milch aus. Das meiste hing an seinem Bart, der Rest tropfte aus Jills Auge. Da gab Jill auf und überlegte angestrengt, wen sie um Rat fragen könnte.
Die Antwort lag sozusagen auf der Hand. Wer war in Shepherd’s Crossing außer Evelyn ebenfalls für seine grenzenlose Tierliebe bekannt? Matthew Webster, natürlich. Er wird mir sagen können, was ich zu tun habe, dachte sie und ging zum Telefon. Zuerst wählte sie die Nummer seiner Praxis. Wie sie erwartet hatte, meldete sich niemand. Also mußte sie ihn zu Hause stören, wenn er überhaupt daheim war. Viel Hoffnung hatte sie nicht. Schlimmstenfalls mußte sie die Ziege mit nach Hause nehmen und die Fütterung mit Großvaters Füllfederhalter probieren.
Aber sie hatte Glück. Nach dem zweiten Freizeichen hörte sie seine Stimme. Sie klang müde und ein wenig erschöpft, deshalb zögerte Jill einen Moment, bevor sie ihre, wie sie selbst fühlte, etwas dumme Frage an ihn richtete: »Wie füttert man ein Ziegenbaby? Bitte, Mr. Webster, sagen Sie mir, was ich tun soll.«
»Ein — was haben Sie gesagt?« hörte sie ihn nach einer kurzen Weile fragen. »Ein Ziegenbaby? Und wer ist bitte am Apparat?«
»Hier spricht Jill Henderson. Ich habe hier ein Ziegenbaby, das sehr hungrig ist«, antwortete sie schüchtern und war froh, als er zu lachen begann.
»Wo haben Sie eine Ziege? Doch nicht in der Bibliothek?«
»Nicht ganz so schlimm. Ich bin bei Evelyn. Sie
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