Verlieb Dich nie in einen Tierarzt
hat eine Autopanne und hat mich deswegen gebeten, heute ihre Tiere zu versorgen.«
»Soweit ich weiß, hat sie aber Gott sei Dank keine Ziege.«
»Jetzt hat sie eine. Ich habe sie im Garten gefunden — mit einem Brief des reizenden Finders, der überzeugt ist, daß Evelyn sich über den Zuwachs freuen wird. Das Tier ist völlig ausgehungert. Ich habe versucht, es mit dem Löffel zu füttern, aber das undankbare Geschöpf hat mir die Milch ins Auge gespuckt.«
»Ist doch klar. Sie müssen es mit der Flasche füttern. Haben Sie einen Sauger?«
»Ich weiß nicht, kann es mir aber nicht vorstellen. Habe hier nie einen gesehen. Vielleicht sollte ich die Ziege mit nach Hause nehmen. Mal sehen, ob Großvater helfen kann.«
»Nein, tun Sie das nicht«, sagte Webster nach einer kurzen Pause. »Mr. Henderson wird auch keinen Sauger haben. Ich werde schnell hinüberkommen und eine Flasche mit Sauger mitbringen. Es wird nicht lange dauern.«
»Aber...« Sie wollte noch protestieren, da hatte er schon aufgelegt. Sie fühlte sich jetzt entsetzlich schuldbewußt. Seine Stimme hatte sich so müde angehört, als er sich meldete, und ziemlich ungeduldig. Welch schreckliches Ansinnen, abends einen Tierarzt zu belästigen, um eine Ziege füttern zu lassen!
Nach fünf Minuten war er da. Er wohnte nur eine halbe Meile von Evelyns Haus entfernt und brachte eine große Milchflasche mit. Jill wärmte etwas Milch. Dann fütterte er behutsam das winzige zitternde Etwas. Als Jill ihn beobachtete, fühlte sie sich plötzlich zu diesem kurz angebundenen, verwirrenden jungen Mann hingezogen. Er war liebenswürdig und hatte sich mit keiner Silbe beschwert, daß sie ihn aus dem Haus gelockt hatte, wo er vielleicht gerade sein Abendessen zubereitete.
Als das Ziegenkind gesättigt war, setzte er die Flasche ab. »Jetzt müssen wir das kleine Viech ins Bett bringen. Eine große Schachtel und etwas Heu im Geräteschuppen dürften genügen.«
»Ach du meine Güte! Da habe ich doch schon Big Jimmy eingesperrt, weil er den anderen Katzen das Fleisch abjagen wollte.«
Sie sahen einander an, und plötzlich, ohne besonderen Grund, fingen sie an zu lachen.
»Was für ein Zirkus! Wie um alles in der Welt sind Sie mit all den Katzen zu Rande gekommen, ganz zu schweigen von den Hunden und Vögeln?«
»Evelyn hatte alles bereits für eine andere Frau aufgeschrieben, die die Tiere auch schon einmal versorgt hat. Also brauchte ich nur ihre Anweisungen zu befolgen. Die Fleischverteilung war recht aufregend, aber gottlob bekam jeder seinen Brocken, und Milch haben sie auch alle gesoffen. Aber glauben Sie, daß das Zicklein die Nacht übersteht? Soll ich es nicht mit nach Hause nehmen?«
»Keineswegs. Das kleine Kerlchen ist jetzt satt und wird wie ein Murmeltier schlafen. Für Evelyn wird es eine nette Überraschung sein, wenn sie heimkommt. Wird sie morgen überhaupt zurück sein, oder müssen Sie noch einmal einspringen?«
»Nein. Sie will heute nacht heimkommen. Es war sehr lieb von Ihnen, daß Sie mir geholfen haben. Das arme Zicklein hatte mich zur Verzweiflung gebracht. Habe ich Sie etwa gerade beim Abendessen gestört?«
»Nein, soweit war ich noch nicht. Ich war gerade erst zur Tür hereingekommen.«
Kein Wort der Klage. Sie versuchte sich vorzustellen, wie so ein Mahl wohl aussehen mochte. Vielleicht Würstchen oder kalter Schinken. Einer plötzlichen Eingebung folgend, sagte sie: »Kommen Sie mit zu uns, und essen Sie mit Großvater und mir. Ich habe einen riesigen Schmortopf auf dem Herd. Großvater bewacht ihn. Kommen Sie.«
Er schien überrascht zu sein und sich zu freuen. »Sind Sie sicher, daß das Essen für drei reicht?«
»Reicht für sechs. Kommen Sie, und überzeugen Sie sich selbst.«
»Danke für die Einladung. Ich nehme sie an. Vorher muß ich mich aber noch umziehen. Und jetzt noch einen letzten Blick auf die Menagerie.«
Nachdem sie sich überzeugt hatten, daß alles in Ordnung war, brachen sie auf. Jill freute sich, daß er die Einladung angenommen hatte. Nicht, daß sie sich davon etwas Bestimmtes versprochen hätte. Für sie war es lediglich ein Akt der Dankbarkeit — so glaubte sie zumindest — , verbunden mit dem uneigennützigen Wunsch, Großvaters Bekanntenkreis zu erweitern. Was sie persönlich anging, nun, so fand sie ihn zwar nett, aber er war eben kein Farmer.
Robert Henderson freute sich, als Matthew, nachdem er sich umgezogen hatte, schließlich erschien, und zeigte viel Anteilnahme an Jills Erlebnissen,
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