Verlieb dich nie nach Mitternacht
entscheiden. Ein Drittel Ersparnis, das war nicht schlecht für den Anfang.
Maribel kaute noch, als sie das Büro betrat. Hinter ihren Schläfen pochte es trotz der zwei Aspirin, die sie geschluckt hatte. Deshalb glich ihr Lächeln auch mehr einer symbolischen Geste, als sie erst der Frau, dann dem Mann, die bereits auf sie warteten, die Hand schüttelte. Aus den Akten wusste Maribel, dass beide knapp über vierzig waren. Sie war geschieden, er lebte noch bei seiner Mutter.
»Frau Schmelter, schön, Sie wiederzusehen. Herr Nikolaus, herzlich willkommen. Was kann ich für Sie tun?«
»Eigentlich wollten wir ja zu Frau Vita.«
»Frau Vita bedauert sehr, dass sie den Termin mit Ihnen nicht selbst wahrnehmen kann. Sie musste dringend weg.« Maribel senkte die Stimme. »Eine Familienangelegenheit.«
Augenblicklich legte sich das Gesicht von Frau Schmelter in besorgte Falten. »Hoffentlich nichts Ernstes.«
»Frau Vita schien sehr besorgt.« Maribel schenkte der Frau das gleiche professionelle Lächeln, das am Morgen die Kriminalkommissarin ihr geschenkt hatte. »Aber vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen?«
Die beiden tauschten einen skeptischen Blick.
»Ich fürchte, das ist nicht möglich.« Herr Nikolaus tätschelte seiner Begleiterin verliebt das Knie. »Wir möchten uns bei Frau Vita persönlich für ihre Vermittlung bedanken. Sie müssen nämlich wissen: Wir haben uns entschlossen zu heiraten.«
Wenn Maribel sich später an diesen Moment erinnerte, gab sie dem Anblick des strahlenden Paares die Schuld. Ihr offensichtliches Glück schnürte ihr regelrecht die Luft ab. Maribels Nervensystem spielte verrückt. Von ihren Füßen aus schien das Blut fontänenartig durch ihre Adern zu schießen. Sie keuchte entsetzt auf und griff sich mit den Händen an den Hals. Sternchen flimmerten vor ihren Augen. Aus weiter Ferne nahm sie wahr, wie Frau Schmelter von ihrem Stuhl aufsprang, der hinter ihr zu Boden krachte.
»Erwin, tu was. Du warst doch bei den Pfadfindern.«
Erwin Nikolaus zögerte nur kurz. Um Maribel zu schocken und damit zu retten, entleerte er den Inhalt einer Blumenvase, die zu Dekorationszwecken auf dem Schreibtisch stand, über ihrem Kopf. Mitsamt Rosen. Maribel klaubte ein besonders schönes Exemplar aus ihrem Haar und bemühte sich um Fassung.
Sie durchlebte eine Nervenkrise. Nichts Ernstes. Nur eine klitzekleine Krise, die angesichts der Schicksalsschläge, die sie heute hatte einstecken müssen, nichts Ungewöhnliches war. Und kam es auf das teure Gucci-Kostüm noch an? Sie besaß einen ganzen Schrank voll mit Klamotten. Gut, sie musste sparen. An ein neues Kostüm war in absehbarer Zeit nicht einmal zu denken. Aber sie lebte noch. Diese wunderbare Tatsache wog erheblich schwerer als das Wasser, das ihr langsam den Rücken hinabfloss.
»Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen?«
Erschrocken sah Herr Nikolaus sie an.
»Heiraten!« Maribel drehte Frau Schmelter an den Schultern zu sich herum. »Sie glauben, diesen Mann hier zu kennen, doch Sie täuschen sich!« Anklagend zeigte Maribel auf Herrn Nikolaus, der sie mit heruntergeklapptem Kiefer anstarrte.
»Sein freundliches Lächeln, sein liebevoller Händedruck – alles gelogen. Er spielt Ihnen etwas vor. Er täuscht Sie. Um Ihnen anschließend das Konto zu plündern.«
Herr Nikolaus sprang von seinem Stuhl auf. »Na, erlauben Sie mal!«
Mit einer energischen Handbewegung brachte Maribel ihn zum Schweigen. »Nichts erlaube ich. Ich hab genug von Männern wie Ihnen.«
Maribel konzentrierte ihren Vortrag erneut auf Frau Schmelter. »Eines Morgens, wenn Sie mit ihm im Bett liegen, wird die Kriminalpolizei an Ihrer Tür klingeln.«
Als Frau Schmelter erbleichte, griff Herr Nikolaus besorgt nach ihrer Hand, doch seine zukünftige Frau schüttelte ihn ab.
Maribel war nicht mehr zu bremsen.
»Von außen betrachtet sieht er harmlos aus, aber bald wird er sich als Wolf im Schafspelz entpuppen. Er ist wie alle Männer. Vielleicht sogar noch schlimmer.«
»Glaub ihr kein Wort, Mausi. Die Frau spinnt doch.«
Mausi war der Schreck auf die Stimmbänder geschlagen. Sie krächzte nur noch. »Und was ist, wenn sie recht hat? Wir kennen uns doch kaum.«
Herr Nikolaus baute sich drohend vor Maribel auf. Seine Nase war übersät mit schwarzen Mitessern, wie Maribel ohne Schwierigkeiten feststellen konnte.
»Sie!« Sein tiefrot gefärbter Kopf glich einer tickenden Zeitbombe. »Ich ziehe Sie zur Rechenschaft. Das ist kein
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