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Verlieb dich nie nach Mitternacht

Verlieb dich nie nach Mitternacht

Titel: Verlieb dich nie nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Kent
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sie sich an die kleine Szene erinnerte. Außer Elsabeth hatte sich niemand an dem Bild gestört.
    Vorsichtig, damit der Glasrahmen nicht beschädigt wurde, schob sie das Bild in eine zerknitterte Plastiktüte, die sie in ihrem Schrank gefunden hatte. Es war ein ganz normales Bild. Keine der Figuren, die darin den Mondaufgang herbeisehnten, nahm von ihr Notiz oder sprach sie gar an. Ihre überreizte Fantasie hatte ihr einen weiteren Streich gespielt.
    Es kann sein, dass ich in einer völlig anderen Gestalt wieder zu dir zurückfinde – oder in einer anderen Zeit.
    Maribel schüttelte sich verärgert, als wollte sie die Erinnerung an Boris’ letzte Worte an sie aus ihrem Gedächtnis werfen. Für wie unendlich dumm musste er sie gehalten haben. Bestimmt hatte er sich insgeheim köstlich über sie amüsiert, während er ihr dieses Märchen auftischte – im sicheren Wissen, ihre Konten längst geplündert zu haben.
    Wut wallte in ihr auf und vermischte sich mit Wehmut, als sie einen letzten Blick durch ihr Büro schweifen ließ, um Abschied zu nehmen. Sie hatte es geliebt, einsame Menschen zusammenzubringen und ihnen zu einem neuen Glück zu verhelfen. Doch nun endete auch dieses Kapitel ihres Lebens.
    »Rufen Sie mich an, wenn Sie es sich anders überlegt haben.« Maribel war sich diese Worte schuldig, auch wenn Frau Vita ihren Entschluss niemals ändern würde. Wankelmut gehörte nicht zu den Eigenschaften, die man ihr vorwerfen konnte.
    Kaum hatte Maribel das Büro verlassen, warf Frau Vita den Stift, mit dem sie geschrieben hatte, zornig auf die Glasplatte ihres Schreibtisches. Am liebsten wäre sie Maribel ins Treppenhaus hinterhergerannt, um ihr wüste Beschimpfungen an den Kopf zu werfen.
    Weshalb hatte sie sich nicht verteidigt, um ihre Stelle gekämpft?
    Anstatt zu gehen?
    Tränen und Beteuerungen wären angebracht gewesen. Dann hätte sie sich als Chefin großmütig zeigen können.
    Aber Maribel, mit ihrem Stolz, hatte alles verpatzt.
    Mist.

IV
    Je weiter Maribel die Treppe hinauf zu ihrer Wohnung im zweiten Stock stieg, desto höher schienen die Abstände zwischen den Stufen zu werden. Die Gewissheit, ohne Job, ohne Geld und ohne Boris dazustehen, drückte wie Blei auf ihre Schultern.
    Maribels Kräfte langten gerade noch, um die Wohnungstür aufzuschließen und sich einen Weg durch das Chaos zu bahnen, das die Polizei am Morgen hinterlassen hatte. So, wie sie war, ließ sie sich auf das ungemachte Bett fallen. Ungeweinte Tränen schnürten ihr die Kehle zu.
    Mit einem wütenden Ruck zog sie das Kopfkissen, auf dem vor noch nicht allzu langer Zeit Boris gelegen hatte, zu sich herüber. Es duftete nach Amber und Vanille, dem Eau de Toilette, das sie ihm zum Geburtstag geschenkt hatte.
    An ihn zu denken tat einfach nur weh.
    *
    Maribel stand unter der Dusche, als das Telefon klingelte. Sie machte sich nicht die Mühe, erst nach dem Handtuch zu greifen. Ihr Handy lag griffbereit direkt daneben.
    »Boris?« Sie sehnte sich nach einem Lebenszeichen von ihm.
    »Wer zum Teufel ist Boris?« Ihr Vermieter gab sich keine Mühe, seinen Ärger zu verbergen.
    »Guten Abend, Herr Dohmen.« Es gelang ihr kaum, ihre Enttäuschung vor ihm zu verbergen. »Geht es Ihnen gut?«
    »Mir geht es ganz und gar nicht gut. Sie hatten heute Besuch von der Polizei.« Ohne Umschweife kam er auf den Kern seines Anrufes zu sprechen.
    »Ja, ein Freund von mir ist Polizist.«
    »Sparen Sie sich Ihre Lügen. Ich bin seit dreißig Jahren Vermieter. Nie hat es in einem meiner Häuser einen vergleichbaren Vorfall gegeben.«
    Maribel öffnete den Mund, doch der aufgebrachte Mann ratterte seine Rede ohne Atempause herunter.
    »Wenn sich herumspricht, dass ich in meinen Häusern Elemente beherberge, die von der Polizei gesucht werden, bin ich ruiniert. Dann ziehen die ehrbaren Mieter nämlich aus. Die, die regelmäßig ihre Miete bezahlen. Am Schluss bleiben nur noch irgendwelche Schweine übrig, die mir die Wohnungen versauen.
    Maribel hielt den Hörer vom Ohr weg. Dohmens Stimme am anderen Ende steigerte sich zu Orkanstärke.
    » … mit zwei Monatsmieten im Rückstand.«
    »Ich habe Sie nicht verstanden. Können Sie den Satz bitte noch mal wiederholen?«
    »Die Wohnung ist fristlos gekündigt.«
    »Was?! Aber wieso?«
    »Herrgottsakrament! Haben Sie mir denn nicht zugehört?«
    »Doch, aber …«
    »Dann ist ja alles klar. Morgen sind Sie draußen.«
    Maribel zuckte zusammen, als der Hörer am anderen Ende heftig auf die Gabel geknallt wurde.

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