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Verlieb dich nie nach Mitternacht

Verlieb dich nie nach Mitternacht

Titel: Verlieb dich nie nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Kent
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Jungen in hohem Bogen zu. Überrascht schnappte Ben ihn aus der Luft. Staunend betrachtete er das Geldstück von allen Seiten. Dann ließ er es schnell in seiner Hose verschwinden, bevor jemand auf die Idee kam, es ihm wieder wegzunehmen.
    »Kommst du wieder?«, fragte er Maribel.
    »Ich weiß es nicht, Ben«, antwortete Maribel ehrlich. Sollten sie die Zeitschwelle nicht finden, würde ihr vermutlich keine andere Wahl bleiben, als zurückzukehren. »Ich war schon lange nicht mehr zu Hause. Willst du mir einen Gefallen tun?«
    Misstrauisch blickte er zu ihr auf. »Kommt drauf an.«
    »Mach das Beste aus deinem Leben, Ben. Lern, geh zur Schule, lebe deinen Traum …«
    »Hä?« Mit den Selbstmotivationsregeln des einundzwanzigsten Jahrhunderts konnte der Junge nicht viel anfangen.
    »Bleib, wie du bist.« Maribel drückte Ben einen schnellen Kuss auf die Wange. Entsetzt wischte Ben ihn mit der Hand fort. Maribel grinste breit. Damals, als sie selbst in der Pubertät war, hasste sie Erwachsenenküsse wie die Pest.
    Wieder streckte Andrej ihr die Hand hin, um ihr aufs Pferd zu helfen. Diesmal stieg sie auf.
    »Aua.« Empört drehte sie sich zu Andrej um, der ihr breit grinsend das dicke Lederkissen zuschob, das auf dem zweckmäßigen tatarischen Sattel als Sitz diente. Energisch gab er dem Tier die Sporen. Aufwiehernd galoppierte es mit ihnen in die Nacht.
    Ben blickte ihnen mit gerunzelter Stirn nach. Seine Mutter hatte recht. Ein bisschen seltsam war Maribel schon.
    Und ihr Versprechen hatte sie auch nicht gehalten.
    Maribel brannten Tränen in den Augen, als sie zurücksah. Die Gestalt des Jungen war kaum noch zu erkennen. Das Herrenhaus lag nun hell erleuchtet da. Aufgeregte Stimmen gellten durch die Nacht.
    *
    Friedrich folgte seinem Instinkt, als er den Kopf seiner Frau mit zitternden Händen zur Seite drehte. Mit jedem Hustenstoß sprudelte das Blut wie eine Fontäne aus ihrem Mund. Panik stand in ihren Augen. Sie wehrte sich gegen seine Berührung und versuchte, ihm etwas zu sagen. Sie brachte kaum mehr als ein Gurgeln heraus.
    Weit beugte er sich zu ihr hinunter, hielt sein Ohr dicht an ihren Mund, spürte, wie ihr Blut gegen seine Wange spritzte.
    »Du und Maribel … nie.«
    Eiseskälte erfasste ihn.
    Jemand war geistesgegenwärtig genug gewesen, den preußischen Militärarzt zu alarmieren. Als Friedrich die Hand des Arztes auf seiner Schulter spürte, machte er ihm benommen Platz. Doch die Hilfe kam zu spät.
    Agnes war tot.

XXXI
    Am Himmel funkelten die Sterne, als Maribel und Andrej auf dem Pferderücken der Zeitschwelle entgegenritten. Maribels Augen suchten nach dem Weihnachtsstern, von dem Friedrich annahm, dass er das Wunder ihrer Zeitreise bewirkte.
    Vergeblich. Sie hätte es sich denken können. »Und du bist sicher, dass du den Weg kennst?«
    »Du scheinst mir nicht zu vertrauen.«
    »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.«
    »Schon Lenin hatte mit diesem Grundsatz seine Probleme.«
    Eine Weile ritten sie schweigend. Maribel kniff die Augen zusammen. Wenn ihr Gefühl sie nicht täuschte, mussten sie bald die Stelle erreichen, an der sie in der Heiligen Nacht auf Friedrichs Kutsche gestoßen waren.
    »Sein Schrei klang furchtbar.«
    Andrej schwieg.
    »Etwas wirklich Schlimmes muss passiert sein.«
    » …«
    »Ich hätte nach ihnen sehen müssen.«
    »Noch können wir umkehren.«
    Als Maribel den Kopf schüttelte, kitzelten ihre Haare in seiner Nase.
    »Auf keinen Fall.« Leise fügte sie hinzu: »Friedrich hasst mich.«
    Sie erschrak, als Andrej das Pferd zügelte und zum Stillstand brachte. Behutsam drehte er sie, damit sie ihm in die Augen sehen konnte.
    »Du liebst ihn.« Mit verschlossenem Gesicht rückte er ihr das Schultertuch am Hals zurecht. Ihr Zögern versetzte ihm einen schmerzlichen Stich.
    »Er übt auf mich eine seltsame Anziehungskraft aus. Eine Zeit lang dachte ich wirklich, er wäre du.«
    »Nicht unbedingt ein Kompliment für mich.«
    Zärtlich lächelte sie ihn an. »Wir hätten eben ein Erkennungszeichen vereinbaren sollen. Ein Satz, eine Geste, irgendetwas.«
    »Beim nächsten Mal bestimmt.«
    Maribel fühlte, wie ihr das Herz schwer wurde. Wer garantierte ihr, dass es ein nächstes Mal geben würde?
    Um sich abzulenken, ließ sie den Blick durch die Dunkelheit schweifen. »Da vorne, die Baumgruppe. Da könnte es sein.« Aufgeregt zeigte sie mit dem Finger in die Richtung. Um ein Haar wäre sie vom Pferd gefallen. Aber Andrej hielt sie mit starkem Arm.
    *
    Weiß wie der Tod

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