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Verlieb dich nie nach Mitternacht

Verlieb dich nie nach Mitternacht

Titel: Verlieb dich nie nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Kent
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und die dritte fasste sie fest ins Auge.
    Nie hatte sie etwas Köstlicheres gegessen als die einfachen Kartoffeln, verfeinert mit einem Stück Butter. Vor Wonne hätte sie um ein Haar verpasst, wie Michel sich das erste Stück Fleisch auf den Teller legte. Für alle anderen das Zeichen, ebenfalls kräftig zuzulangen.
    Maribel war so damit beschäftigt, genügend Nahrung in sich hineinzuschaufeln, dass ihr die Stille, in der die Mahlzeit ablief, zunächst nicht weiter auffiel. Anscheinend war es Brauch, bei Tisch nicht zu reden. Nicht unbedingt das Schlechteste, auf diese Weise erhielt sie jedenfalls reichlich Gelegenheit, die übrigen Männer am Tisch gründlich zu betrachten.
    Jan, der Pferdeknecht – ein schlaksiger Kerl mit hellrotem Haar und farblosen Wimpern. Der ausgeprägte Kehlkopf an seinem Hals bewegte sich beim Essen auf und ab, was lustig anzusehen, aber nicht unbedingt erotisch anziehend war.
    Die Gesichtshaut von Jakob, dem Schäfer, erinnerte an einen zerknitterten Lappen alten Leders. Es war für Maribel unmöglich, das wahre Alter des Mannes zu schätzen. Ein Blick auf seine knotigen Finger mit den schwarzen Nägeln daran genügte Maribel, um den Gedanken, bei Jakob und Boris könnte es sich um ein und dieselbe Person handeln, für alle Zeiten zu verwerfen.
    Die Vorstellung, Jakobs knotige Finger würden wie die von Boris über ihren Körper tanzen, Leidenschaft in ihr erwecken, sie zum Höhepunkt treiben – Maribel bezweifelte, ob sie so viel Selbstüberwindung und Hingabe aufbringen konnte.
    Insgeheim schalt sie sich selbst als oberflächlich.
    Wahre Liebe überstand alle Hindernisse.
    Ja, schon, aber reicht es nicht, nach dem Geliebten in einer anderen Zeit zu suchen, sogar eine andere Gestalt in Kauf zu nehmen? Muss er dann auch noch abstoßend sein?
    Wieder gab Michel der Spülmagd ein Zeichen. Folgsam sprang sie auf, um einen dickbauchigen Tonkrug zu holen, aus dem sie nun jedem am Tisch austeilte. Die anderen hielten ihre Becher hin. Maribel musste erst abwarten, bis Grete ihr ein Trinkgefäß überließ: einen klobigen Becher ohne Henkel. Erwartungsvoll beobachtete sie, wie eine braune Flüssigkeit den Becher füllte. Das Fleisch war gut gewürzt gewesen. Maribel verspürte mindestens so viel Durst wie Hunger. Sie wartete, bis die anderen die gefüllten Becher in Richtung Michel hoben, und tat es ihnen nach.
    »Frohe Weihnachten«, wünschte Michel feierlich.
    »Frohe Weihnachten«, erwiderte Maribel mit den anderen.
    Sie trank in durstigen Zügen. Das braune Gesöff verbrannte ihr die Kehle. In hohem Bogen spuckte sie es über den Tisch.
    »Hast du der Schwachsinnigen etwa Branntwein gegeben, du dummes Ding?« Grete verpasste der entsetzten Spülmagd eine schallende Ohrfeige.
    »Du hast nicht gesagt, dass sie keinen bekommen darf. Wo doch sogar der Schweinehirt welchen trinkt.« Hastig kippte der Junge den letzten Schluck in seinem Becher hinunter. Niemand konnte ihm das Getränk jetzt mehr wegnehmen.
    »Ich verbrennte!« Maribel umklammerte ihren Hals mit den Händen. Unter dem schadenfrohen Gelächter der anderen lief sie hinaus auf den Hof zur Regentonne. Diesmal war ihr die dünne Eisschicht, die auf dem Wasser schwamm, gleichgültig. Mit beiden Händen schaufelte sie es sich in den Hals, um das entsetzliche Brennen in ihrer Kehle zu betäuben.
    Dieses Gebräu sollte Branntwein sein? So stellte sie sich den Genuss von Spiritus vor. Maribel brauchte eine Weile, bis sie im Stande war, wieder hineinzugehen.
    Eisige Stille schlug ihr entgegen.
    »Es ist nicht üblich, den Tisch ohne Erlaubnis zu verlassen«, sagte Michel. »Um der Gerechtigkeit willen darf ich keine Ausnahme dulden. Während der nächsten Woche wirst du deshalb neben deinen sonstigen Aufgaben die Zwischenräume der Holzdielen reinigen.«
    »Aber ich bin schwachsinnig.«
    »Scheinbar nicht schwachsinnig genug, um dich darauf zu berufen.«
    Maribel beschlich das ungute Gefühl, einen Fehler begangen zu haben.
    »Gleich heute Abend beginnst du. Grete wird dir zeigen, worauf es ankommt. Und wehe, du gehst zu Bett, bevor du mit dem ersten Zimmer fertig bist.«
    Beleidigt presste Maribel die Lippen aufeinander. Sie empfand die Strafe als ungerecht. War es ihr Fehler, dass der Fusel wie vom Teufel persönlich gebraut schmeckte? Verbittert bemerkte sie, wie Lisette ihr einen schadenfrohen Blick zuwarf. Selten hatte sich ihr Instinkt in einem Menschen derart geirrt.
    »Heute geht zeitig zu Bett. Um sieben morgen früh beginnt die

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