Verlieb dich nie nach Mitternacht
Rezepturen.«
Lisette wunderte sich, dass Friedrich bei seinen Worten so ernst bleiben konnte. Die Auseinandersetzung mit der Köchin war ihm bestimmt nicht entfallen.
»Wo steckt Maribel?« Zu Friedrichs Erstaunen zuckte Lisette bloß mit den Achseln. »Ich hatte gehofft, sie wäre bei Euch.«
Unwillig runzelte Friedrich die Stirn. »Hat sie dir gesagt, sie sei auf dem Weg zu uns?«
Lisette verzog kläglich das Gesicht. »Nicht direkt, gnädiger Herr. Ihr Bett war unberührt, als ich … erwachte.«
Der feste Stoff knallte, als Agnes ungehalten ihre Serviette aufschlug. »Ich möchte nicht, dass in meinem Haus Unzucht getrieben wird, Friedrich. Die Schwachsinnigkeit dieses Mädchens ist keine Entschuldigung für schlechtes Betragen.«
Friedrich bemühte sich um einen unbeteiligten Gesichtsausdruck. »Die Lektion im Gefängnis wirkt sicherlich noch eine Weile nach. Ich denke nicht, dass Maribel in nächster Zeit absichtlich ihre Pflichten verletzen wird. Du hast überall nach ihr gesehen?«, wandte er sich an Lisette.
Dankbar, dass er sie nicht verraten hatte, nickte sie eifrig. »Sie ist weder drüben im Wirtschaftsgebäude noch in einem der Ställe.«
»Sollte sie so dumm sein, sich ohne Begleitung vom Hof zu entfernen?« Gedankenverloren nahm er die Tasse Kaffee entgegen, die Lisette ihm reichte. Die Erinnerung an ihren Streit erfüllte ihn mit wachsendem Unbehagen.
»Ich hasse Sie«, hallten ihre Worte auch jetzt noch in seinen Ohren.
Versuchte Maribel nun etwa auf eigene Faust, dem Geheimnis des Zeittores auf die Spur zu kommen? »Wir können nur hoffen, dass das Mädchen wieder auftaucht. Die letzte Nacht war eisig. Hoffentlich liegt sie nicht erfroren in irgendeinem Graben.«
»Wir hätten sie längst zu ihrer Familie zurückbringen müssen«, erinnerte Agnes.
»Als wenn das so einfach wäre, meine Liebste!« Sein Ton war schärfer, als er beabsichtigt hatte. »Entschuldige bitte.«
»Mir ist schleierhaft, was daran so schwierig sein soll.«
»Agnes, bitte nicht vor Lisette.«
»Entschuldige.«
»Soll ich Jan bitten, ein paar Männer zu schicken, um Maribel zu suchen?«, fragte Lisette. Seitdem Michel den Hof verlassen hatte, stand Jan dem Gesinde vor.
»Dazu ist es noch zu früh. Wir können niemanden auf dem Hof entbehren.«
»Danke, Lisette, du kannst gehen«, sagte Agnes.
Lisettes Bewegung glich mehr dem trotzigen Aufstampfen eines Kindes als einem Knicks. Da verschwand eine der Mägde, und den Herrschaften fiel es nicht einmal ein, sie suchen zu lassen.
Friedrich war kein Unmensch. Selbstverständlich sorgte er sich um Maribel. Außerhalb des Hofes kannte sie sich nicht aus. Ihm war unklar, inwieweit sie sich an den ihr bekannten Örtlichkeiten orientieren konnte. Jedoch gerade jetzt wurde jeder Mann dringend auf dem Hof gebraucht. Mit Michel und den beiden anderen Männern waren ihm ohnehin schon drei wichtige Kräfte, auf die er vertraute, genommen worden. Und dies, obwohl die Befreiung mit all ihren Begleiterscheinungen kurz bevorstand. Weitere Leute konnte er nicht entbehren. Er musste Vorsorge treffen, denn er trug die Verantwortung für seine Familie, seinen Besitz und sein Gesinde. Maribel hingegen war das Kind einer anderen Zeit und vielleicht schon längst wieder in ihrem eigenen Jahrhundert angelangt. Er besaß nicht das Recht, ihr Leben höher einzuschätzen als das seiner eigenen Familie, auch wenn ihm das Herz beim Gedanken an ihr mögliches Schicksal schwer wurde.
Deshalb nickte Friedrich seiner Frau über den Rand seiner Tasse bloß beruhigend zu. Zusätzliche Aufregung war das Letzte, was sie gebrauchen konnte. Obwohl sie sich alle Mühe gab, Haltung zu bewahren und die Fäden des Haushalts in der Hand zu behalten, konnte die wässrig-bleiche Farbe ihres Gesichtes ihn nicht über ihren wahren Zustand hinwegtäuschen. Anstatt sich zu erholen, schien sie mit jedem Tag schwächer und schwächer zu werden. Wie lange würde ihre Milch für Wilhelm noch ausreichen? Sein Sohn schrie schon jetzt in immer kürzeren Abständen.
»Blüchers Armeen haben letzte Nacht bei Caub den Rhein überschritten. Ich werde Jan bitten, die Wertsachen und ein Großteil der Vorräte im Wald zu verstecken.«
»Als ob die Franzosen uns mit ihren Abgaben nicht schon genug ausrauben. Unsere Befreier werden uns den Rest unseres Vermögens nehmen.«
»Nicht, wenn wir vorsorgen. Fühlst du dich gesundheitlich in der Lage, Lisette und einige andere Mädchen zu beaufsichtigen, damit sie die Wertsachen
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