Verlieben war nicht abgemacht - Asher, B: Verlieben war nicht abgemacht - The Pretend Wife
Ich soll also eine Antwort geben. Eine ehrliche. Was wünsche ich mir?« Er nahm die Herausforderung jetzt ernst. Mit den Fingerspitzen auf seine Schenkel trommelnd vergewisserte er sich: »Ihr wollt es wirklich wissen?«
Ich nickte.
»Ja«, bekräftigte Peter.
»Meine Mutter ist krank«, begann Elliot zögernd. »Sie liegt in ihrem Haus am See in einem Klinikbett und muss Morphium nehmen. Niemand kann mehr etwas für sie tun, und darum …«
»Morphium?« Bestürzt über die ernste Wendung, die das Gespräch genommen hatte, schaute Peter mich an. »Warum braucht sie Morphium?«
»Sie liegt im Sterben«, antwortete Elliot sachlich. Wieder massierte er sein Knie. Eine alte Verletzung? Ich musterte ihn scharf, wollte sehen, wie diese Art Kummer von außen aussah. Von innen kannte ich sie aus eigenem Erleben nur zu gut. »Dagegen kann keiner etwas tun«, er wandte sich mir zu, »es sei denn, du bist Krebsforscherin und hast ein Heilmittel entdeckt.«
»Ich arbeite im Verkauf«, sagte ich hilflos.
»Ich dachte, du hättest einen Abschluss in Englisch.«
»Auch Leute mit einem Abschluss in Englisch arbeiten im Verkauf«, erwiderte ich.
»Ich denke, du bist Innenarchitektin.«
»Knapp daneben – ich arbeite für eine Innenarchitektin. Das mit deiner Mutter tut mir leid.« Ich wusste das aus meiner Kindheit: Man wünscht sich, dass jemand den Schmerz erkennt, einem einfach sagt, dass es ihm leidtut. Nicht mehr. Nur ein einfaches »Es tut mir leid« und ein anteilnehmendes Nicken. Eine Bezeugung von Menschlichkeit.
An diesem Punkt des Gesprächs erschien Helen auf dem Balkon, begann Punschgläser und Bierflaschen einzusammeln.
»Stell dir vor, Helen«, platzte Peter heraus, »Elliots Mutter liegt im Sterben.« Ich hätte ihn am liebsten geschüttelt. Er hatte in seinem Leben bisher keine tragischen Ereignisse verkraften müssen, und so konnte er mit solchen Dingen einfach nicht umgehen. Natürlich wusste er, dass meine Mutter tot war, aber ich glaube nicht, dass er wirklich begriff, dass sie irgendwann einmal gelebt hatte – und deshalb hatte er kein Verständnis für den Gram meines Vaters oder den meinen. Er brachte uns dazu, unseren Schmerz zu verbergen, und wir machten unsere Sache gut. Er wusste nicht einmal, dass ich bei dem Unfall mit im Auto gesessen hatte. »Ist das nicht schrecklich?«, sagte er, aber er sagte es in fragendem Ton, als wäre er nicht sicher. War es nicht schrecklich? Es war doch schrecklich, oder?
Helen war stehen geblieben. »Tut mir leid, das zu hören.« Sie legte die Hand auf Elliots Kopf, als würde sie ihn segnen.
Er nickte und schaute dann auf seine jetzt geöffnet daliegenden Hände hinunter. Helens drei hartnäckige Verehrer unterhielten sich inzwischen miteinander wie Wartende an einer Bushaltestelle, und für ungefähr eine Minute waren ihre Stimmen die einzigen.
Ich bin in Gedanken oft zu diesem Moment zurückgekehrt, habe wieder und wieder gesehen, wie Elliot sich zurücklehnte und zum Himmel hinaufschaute, wie er sich mit beiden Händen den Hinterkopf rieb; wie ich nicht wusste, wie ich seinen Gesichtsausdruck deuten sollte. War ihm klar, worauf er hinauswollte? Hatte er Bedenken? Wusste er in diesem Augenblick, worum er bitten würde, welches Ergebnis er sich davon erhoffte? Oder schüttete er nur betrunken sein Herz aus, während um ihn herum die Party in den letzten Zügen lag? Ich glaube nicht, dass das eine Rolle spielte. Schlussendlich würden wir alle eine Rolle in dem Gespräch spielen müssen, um von Punkt X nach Punkt Y zu gelangen. »Als ich meine Mutter das letzte Mal besuchte«, erzählte Elliot, »sagte ich ihr, dass ich … also, na ja … dass ich geheiratet hätte.«
»Geheiratet?«, echote Helen angewidert.
»Sie haben Ihre Mutter auf ihrem Sterbebett angelogen?«, entrüstete sich Peter. Ich dachte an meine Mutter und daran, was für ein Glück es war, eine Mutter auf dem Sterbebett zu haben, die Gelegenheit zu haben, sie anzulügen.
»Sie war gar nicht bei sich, benebelt von Morphium«, erwiderte Elliot mehr zur Erklärung als zu seiner Verteidigung. »Manchmal redet sie in diesem Zustand mit ihrer toten Schwester.«
»Aber warum hast du ihr erzählt, du hättest geheiratet?«, fragte ich. »Musstest du nicht damit rechnen, dass sie gekränkt sein würde, weil du sie nicht zur Hochzeit eingeladen, ihr deine Zukünftige nicht vorgestellt hattest?«
»Verheiratet!«, schnaubte Helen. »Warum haben Sie ihr nicht gleich erzählt, dass Sie sich
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