Verliebt bis unters Dach Roman
dass sie am liebsten abgelehnt hätte, denn sie las an seinem Gesicht ab, was er sagen würde.
Statt einer Antwort blieb sie daher stumm.
Toms Miene wurde noch unglücklicher.
Er wusste inzwischen, wenn Liesel stumm blieb, bedeutete das nichts Gutes. Sie war nur richtig still, wenn sie etwas sehr erregt hatte. Aber er wollte sie nicht unglücklich machen, ganz und gar nicht. Was er wollte, war... oh, Himmel! Er konnte nicht haben, was er wollte. Oder?
Warum war alles so kompliziert? Aber Gefühle waren nicht einfach, sie waren komplex und schwierig und manchmal sehr schwer zu bewältigen, und wenn sich die Dinge so entwickelten, dann konnte ein Mann wie er nur das tun, was er für richtig hielt, egal, wie schwer es ihm fiel.
Caroline hatte auf ihn gewartet, als er nach Hause zurückkehrte, ein tränenfeuchtes Opfer voller Vorwürfe. Und egal, was er für Liesel empfand - und diese Gefühle hatten ihn völlig überrascht -, er war immer noch mit Caroline verlobt. Er hatte ihr etwas versprochen, und sie hatte ihm in den vergangenen drei Stunden mit Schreien, Kämpfen, Klammern, Zurückweisung, Schluchzen, Beleidigungen, Vorwürfen und Erklärungen klargemacht, dass sie verlangte, dass er sich daran hielt. Er war seit vier Jahren mit Caroline zusammen, er liebte sie. Vielleicht lag ihm das Herz nicht jedes Mal, wenn er sie sah oder mit ihr telefonierte, auf der Zunge. Vielleicht vermisste er sie nicht so, wie er gedacht hatte, als sie fortzog. Vielleicht dachte er auch nicht ununterbrochen an sie, fantasierte nicht von ihr und träumte nicht mal von ihr wie von Liesel, aber wer konnte wissen, was er für Liesel wirklich empfand? Es war alles neu, was er fühlte, es machte ihm Angst,
und vielleicht war es auch nur eine Besessenheit, die ebenso lange hielt wie eine Sommermode.
Ihn und Caroline hingegen verband die Realität. Und egal, wie weit sie sich voneinander entfernt hatten, man gab jemanden nicht einfach auf, dem man etwas versprochen hatte. Man kämpfte dafür. Sie wollte, dass sie es noch einmal miteinander versuchten. Sie hatte ihn angefleht. Er hatte sie noch nie so erregt gesehen, und es war, als hätte jemand seine lebenswichtigen Organe in die Hand genommen und fest gequetscht. Egal was er tat, er verletzte jemanden. Sich selbst eingeschlossen.
»Es ist so schwer«, seufzte er.
Oh, junge, das hoffe ich zumindest, sagte sie bei sich, während ihr gesamter Körper vor Sehnsucht und Erinnerung an eine so intensive Freude seufzte, wie sie es noch nie im Leben gespürt hatte. Hör auf, du Zicke, ermahnte sie sich streng. Lass die Faxen und denke nie wieder an ihn im Bett. Aber wie er sie gestreichelt und geküsst hatte... noch nie hatte sich ein Kuss von den Lippen aus in jede Körperzelle ausgebreitet, so dass alle Muskeln bebten und sie die Zehen vor Entzücken zusammenkrallte. Noch nie hatte sie mit jemandem so gut, so perfekt, so harmonisch zusammengepasst. Selbst bei ihrem ersten Kuss, der eher ein Zusammenstoß gewesen war... na, man konnte es so ausdrücken - selbst als sie von der Balustrade fiel, hatte sie nichts gespürt, so erfüllt war sie davon noch gewesen. Man konnte die Spuren der Prellungen immer noch sehen.
»Liesel?«
Seine ängstliche Stimme riss sie aus ihren Fantasien, wo sie ehrlich gesagt bereits wieder in dem altmodischen breiten Doppelbett gelandet waren und das Kamasutra wie ein
Kindermärchen erscheinen ließen. Doch er sah so aufrichtig unglücklich aus, dass es sie sofort wieder zur Vernunft brachte.
»Es tut mir leid.« Sie entschuldigte sich für ihre Gedanken, aber das wusste er natürlich nicht.
»Mir auch. Verstehst du das? Ganz ehrlich. Du weißt, was ich für dich empfinde. Es wäre albern, das abzustreiten, denn du wüsstest genau, dass ich lügen würde, und ich will dich nicht anlügen. Ich will so ehrlich sein, wie es geht... mit allem.«
»Du hast Recht. Du versuchst, ganz edel zu sein, und ich bin bloß eine alte Sünderin. Zumindest will ich...«
Das war eine Aufforderung.
»Ich habe Caroline gegenüber eine Veranwortung...«, antwortete er zögernd.
»Ich weiß.«
»Ich muss veranwortlich handeln.« Es klang so, als würde er sich selbst dazu ermahnen, und nicht so, als wollte er es ihr erklären.
»Ja? Ich meine, natürlich musst du das«, seufzte Liesel. Jetzt stand er so dicht vor ihr, dass er den Hauch davon spürte wie einen federleichten Kuss.
»Ich habe ein Versprechen abgegeben, Liesel. Das bricht man nicht.«
Das war der Haken. Die
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