Verliebt bis unters Dach Roman
hinauf, um nach Alex zu sehen. Wenn Godrich auf dem Bett und Alex im Hundekorb gelegen hätte, wäre sie nicht überrascht gewesen - das hätte dem momentanen Stand ihrer neuen Beziehung entsprochen.
Aber so schlimm war es nicht. Sie lagen beide im Bett, beide mit offenem Mund und schwer atmend. Godrich nahm zwei Drittel des großen Doppelbetts in Beschlag. Seine Beine zuckten heftig, weil er von irgendeiner Hundetätigkeit träumte, und traten Alex mit jedem imaginären Sprung heftig in den Rücken.
Liesel lächelte. Wie schön, dass Alex trotz dieser Störungen so tief schlief. Nächste Woche würde er in der neuen Schule beginnen, und sie rechnete damit, dass es mit dem ruhigen Schlaf dann erst einmal vorbei war. Der erste Tag kostete immer viel Nerven. Wie die neue Klasse ihn wohl aufnehmen würde? Die neue Schule hatte auch sehr strenge Regeln hinsichtlich der Uniform, und Alex war klar, dass seine Mutter
ihn endlich aus seinem geliebten Superman-Cape und den blauen Strumpfhosen herausschälen würde.
Alex sagte nie sehr viel, aber Liesel kannte ihn in- und auswendig. Sie wusste daher, je näher dieser Tag rückte, desto stärker würde Alex sich zurückziehen, sich ängstlich und scheu hinter seinem Cape verstecken und immer öfter morgens in aller Frühe in ihr oder Marilyns Bett kriechen.
Liesel ignorierte die große Badewanne, die sie zu rufen schien wie eine Schiffssirene einen Matrosen, duschte stattdessen nur rasch, zog sich an und ging nach unten. Das Klappern von Besteck, das sie beim Betreten der Halle hörte, beruhigte sie. Kashia war wie versprochen aufgetaucht.
In der Tat war eine Frau im Speisesaal damit beschäftigt, die zwei Tische einzudecken. Sie war das völlige Gegenteil zu der kleinen, fülligen Lorraine mit dem strähnigen Haar. Kashia war groß, blond und üppig. Man hätte sie sogar glamourös nennen können, wenn ihre Augen nicht so misstrauisch geblickt und ihre Mundwinkel nicht so nach unten gezogen gewesen wären.
»Hi, Sie müssen Kashia sein«, rief Liesel fröhlich, hüpfte lächelnd ins Zimmer und streckte der anderen die Hand hin.
Die Frau trat allerdings einen Schritt zurück, als wäre sie von Liesels Begeisterung mehr erschrocken als durch deren plötzliches Auftauchen.
»Sie sind doch Kashia, oder? Keine verrückte Einbrecherin, die uns alles klaut, aber vorher den seltsamen Drang verspürt, den Tisch zu decken?« Liesel war verunsichert, verschanzte sich aber wie immer hinter einem Witz, der auch von einem Lächeln belohnt wurde. Es war ein gepresstes, kein offenes Lächeln. Aber immerhin...
»Ja, ich Kashia Fabriziowitsch.«
»Ich bin Liesel.«
»Ah, das Fräulein. Ja.«
»Bitte, Liesel reicht.«
»Deutscher Name, ja? Sie Deutsche?«
»Nein, meine Mutter war begeisterte Anhängerin der Trapp-Familie.«
Kashias auffallend graue Augen sahen sie verständnislos an.
»Ein Mädchen in dem Film heißt so.«
»Ah, okay«, sagte Kaisha ohne besonderes Interesse und wandte sich wieder den Tischen zu.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
»Ich nicht brauchen Hilfe bei vier Gäste.«
»Das stimmt. Eh, wissen Sie, ob Eric heute da ist?«
»Er ist in Küche.«
»Großartig. Gut! Ich schaue mal nach, ob der Hilfe braucht.« Aber Kashia hatte sich bereits wieder abgewandt und polierte konzentriert die Löffel. »Nett, Sie kennenzulernen«, rief Liesel ihr noch zu.
Kashia war wohl eine harte Nuss, aber Liesel liebte Herausforderungen. Sie war überzeugt, dass selbst der griesgrämigste Mensch im Kern gut war und Menschen, die nicht so fröhlich waren wie sie, damit tief sitzende Probleme verbargen, und wenn jemand Probleme hatte... nun, Marilyn hatte immer gesagt, dass man Probleme mit denjenigen verarbeiten sollte, die einen lieben.
Vielleicht gab es für Kashia niemanden, der sie liebte. Liesel fragte sich auf dem Gang in die Küche beiläufig, ob es in Piran Cove und Piran Bay alleinstehende Männer gab. Nicht, dass sie selbst einen suchte, dafür hatte sie in der letzten Zeit zu viele Enttäuschungen erlebt, um es so bald nochmal zu versuchen. Aber wenn Kashia alleine lebte - und sie hatte keine
Ringe getragen -, dann hätte Liesel nichts dagegen, ein bisschen Romantik zu stiften.
Vielleicht war der bisher unsichtbare Eric ein Single? Aber dann fiel ihr wieder ein, dass Lorraine gesagt hatte, er sei beträchtlich älter als sie alle.
Am Küchentisch stand ein großer, dünner Mann und rührte heftig in einer Schüssel, die er in der Armbeuge hielt. Er wirkte
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