Verliebt bis unters Dach Roman
»Das wird das beste Hotel in ganz Piran Cove. Die Küche ist jetzt schon großartig. Ich kümmere mich jetzt um die Bar.«
»Und ich überrede meinen Sohn, dass er endlich ins Bett geht.«
»Na, ich weiß, welcher Job mir lieber ist.«
Liesel war noch nie in einer so leeren, ruhigen Bar. Die Sedgewicks hatten nach dem Dinner je einen kleinen Sherry getrunken und waren um neun ins Bett gegangen. Da blieben Liesel nur die Heathers, die nach ihren je zwei Brandys lebhafter wurden, aber auch müde von der Reise waren und
sich kurz darauf zurückzogen. Sie schloss die Bar, ging nach draußen auf die Terrasse, lehnte sich an die Steinbalustrade und beobachtete den Mond, der sich unten im Wasser spiegelte, und dankte den glänzenden Sternen über ihr für den ruhigen Abend.
Ein paar Minuten später gesellte sich Marilyn zu ihr, die den aufgeregten Alex nur mit Mühe ins Bett bekommen hatte. Sie hatte ihn mit Kakao bestochen, mit einem Butterkeks für ihn und Godrich und einem Video auf seinem tragbaren Fernseher.
Die beiden Schwestern standen in entspanntem Schweigen nebeneinander. Beide mussten erst einmal ihre Gedanken sammeln, sich umsehen, wo sie waren, und ein stummes Dankgebet gen Himmel schicken.
»Na, wie fandest du deinen ersten richtigen Tag?«, fragte Marilyn schließlich.
»Himmlisch!«, hauchte Liesel und beugte sich weiter vor, um die frische, würzige Nachtluft tief einzuatmen statt nur Auspuffgase und Diesel.
Marilyn nickte nur.
Der Wecker klingelte am nächsten Morgen um fünf Uhr.
Liesel fiel fast aus dem Bett, tapste benommen zur Tür und landete auch prompt in ihrem Schrank.
War das nicht schrecklich, aufzuwachen und nicht zu wissen, wo man war? Im Halbschlaf war sie wie immer dem Weg in der Wohnung in Hackney vom Bett zum Bad gefolgt. Stattdessen taumelte sie nun zum Fenster, zog die Vorhänge auf und ließ das erste Licht des neuen Tages herein.
Sie hatte sich bereits in ihr neues Zimmer verliebt - trotz der rosa Blümchentapete, die aussah, als hätte ein Nylonnachthemd
den Aufstand geprobt, trotz des rotgemusterten Teppichs, der überhaupt nicht zu der Tapete passte. Er wirkte so aggressiv, dass er eigentlich einen Kapuzenpulli tragen müsste und auf den Knöcheln die Tätowierungen HASS und LIEBE.
Sie hatte sich schon überlegt, die Dielen freizulegen und hell aufzupolieren; die Wände würde sie in einem sanften Gelbton streichen, um das Sonnenlicht zu spiegeln, das sich schon mit zögernden Fingern durch die Spalte der stumpfbraunen Vorhänge tastete.
Von ihrem Zimmer aus konnte sie das Meer nicht sehen, denn es lag nicht hoch genug, aber sie hatte einen wunderbaren Blick auf den Fluss, und wenn sie auf der Fensterbank saß und sich so weit wie möglich zurücklehnte, konnte sie den Strand sehen - bei Flut auch eine kleine Ecke des Meeres.
An diesem Morgen war Flut, und die Landschaft war wieder wie verwandelt. Das Wasser schlängelte sich fast um das ganze Haus, so dass man sich wie auf einer Insel fühlte.
Liesel ging ihre Schwester suchen. Es war seltsam, nicht das Zimmer mit Marilyn zu teilen. Einerseits war es schön, allein zu sein, aber auch schrecklich, Marilyn nicht ständig bei sich zu haben.
Marilyns Zimmer, ein Stockwerk höher, lag noch im Dunkeln. Liesel stieß leise die Tür einen Spalt auf. Das Zimmer war genau wie ihres ein weiteres Denkmal für schlechten Geschmack, aber mit dem gesammelten Potenzial eines neuen Schülers, der für eine alte, gute Schule ein Stipendium gewonnen hat.
Marilyn schlief zusammengerollt wie eine Waldmaus und wirkte trotzdem völlig entspannt. Seitdem sie vor zwei Tagen hier angekommen waren, hatte sie ununterbrochen geschuftet
und nicht nur alles gelernt, was Lorraine ihr beibringen konnte, sondern auch tapfer versucht, alle Kisten auszupacken. Sie hatte sogar begonnen, Alex zu helfen, sein Zimmer in das eines Achtjährigen zu verwandeln statt das einer Achtundsiebzigjährigen, und zahllose Müllsäcke mit Strohblumen und Spitzendeckchen gefüllt.
Liesel hatte nicht das Herz, sie zu wecken. Falls Eric nicht auftauchte, würde sie es sicher schaffen, viermal warmes Frühstück zuzubereiten. Das konnte doch jeder. Lorraine hatte ihnen am Vorabend versichert, dass Kashia, die Kellnerin, sehr zuverlässig sei - doch dann hatte sie leise geschnieft, was andere Probleme andeutete. Sie würde sicher heute Morgen zum Bedienen erscheinen.
Liesel stellte den Wecker der Schwester auf halb neun, schloss leise die Zimmertür und ging
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