Verliebt bis unters Dach Roman
so zart, dass Liesel dachte, die Erschütterungen dieser Tätigkeit würden ihn eher umwerfen.
Er hatte ein langes, schmales Gesicht, das zu seinem langen, dünnen Körper passte, graue Augen hinter dicken Brillengläsern und graue Haare, die in dichten Büscheln abstanden wie bei einem kleinen Spielzeugtroll. Seine Augen waren blutunterlaufen und schielten vor Müdigkeit, was die dicken Linsen noch betonten. Liesel sah ein Straßennetz von geplatzten Äderchen auf der trüben gelblichen Iris. Aber es waren freundliche Augen, die durch mehr als normale Erschöpfung ermüdet waren - überwältigend freundliche Augen sogar.
»Sie sehen aber nicht sehr gesund aus«, murmelte sie mitfühlend.
Der Mann blickte auf und sah sie überrascht an.
»Entschuldigen Sie«, sagte Liesel und streckte ihm eine Hand hin. »Ich bin Liesel. Sie sind sicher Eric.« Er nickte und ergriff ihre Hand. Sie war warm und zitterte wie ein Blatt im Wind.
»Geht es Ihnen heute besser? Ich finde, Sie sehen etwas krank aus. Möchten Sie vielleicht einen Tee?«
Eric nickte dankbar. »Das wäre sehr nett, Miss. Falls es keine Umstände macht.«
»Nennen Sie mich bitte Liesel. Sind Sie sicher, dass sie gesund genug sind, um zu arbeiten?«
»Oh, ja. Tut mir leid wegen gestern Abend, Miss...« Er verstummte, weil Liesel nun lachend ihren Namen noch einmal flüsterte. »Äh... ich meine, Miss Liesel.«
»Ja, aber Sie können doch nichts dafür, dass Sie krank sind. Ich weiß, wenn es mir nicht gutgeht, dann habe ich zum Kochen überhaupt keine Lust. Es wäre auch schrecklich, wenn sich Mr. und Mrs. Heather ansteckten. Sie wirken so, als könnte Sie schon die kleinste Brise umwerfen, ganz zu schweigen von ein paar schrecklichen Bazillen.«
Eric gelang ein kurzes Lachen.
»Glauben Sie mir, es ist nicht ansteckend.«
Liesel runzelte die Stirn. »Aber sind Sie wirklich sicher, dass Sie fit genug sind, um zu arbeiten?«
Er nickte.
»Gut. Na, dann mache ich uns einen Tee, suche mir eine Schürze, und Sie können mir sagen, wie ich Ihnen helfen kann.«
Liesel goss drei Becher Tee ein und brachte einen zu Kashia, die völlig überrascht war und den Becher so zögernd entgegennahm, als würde Liesel ihr einen Kelch mit schäumendem Gift reichen statt eine Tasse English Breakfast Tea.
»Eindeutig Probleme«, murmelte Liesel auf dem Rückweg in die Küche vor sich hin. Eric hingegen war das völlige Gegenteil. Als er seine anfängliche Schüchternheit überwunden hatte, stellte er sich als lustig und freundlich heraus. Nachdem sie eine Stunde lang über sich selbst geplaudert hatte, damit er sich entspannte, redeten sie miteinander wie zwei alte Freunde. Er erzählte ihr aus seiner Jugend und teilte auch ein paar Einzelheiten über sein Leben mit. Liesel fand heraus, dass er seine Lehre als Koch in der Armee absolviert hatte, dass er allein ein Stück weiter die Küste entlang bei Newquai wohnte,
einen erwachsenen Sohn hatte, der im Ausland lebte, und Witwer war. Darüber sagte er nichts weiter, und Liesel war erfahren genug, ihn nicht nach Einzelheiten über einen verlorenen Menschen zu bedrängen. Wenn jemand darüber reden wollte, dann würde er das auch ohne eine Aufforderung dazu tun.
Außerdem war er ein geschickter, rasch arbeitender Koch und schien eine natürliche Begabung zu haben, alles nett anzurichten. Trotz Lorraines Warnung vor seinen häufigen Fehlzeiten konnte Liesel genau erkennen, warum Großtante Nancy ihn weiter beschäftigt hatte. Alles, was er anfasste, verwandelte sich in kulinarisches Gold. Sein Speck und die Würstchen waren perfekt gebraten, eine schlichte Grilltomate wurde mit ein paar Kräutern und Parmesankrumen zur Delikatesse. Liesel nannte diese Fähigkeit »Erics Händchen«. Damit machte er das lockerste, butterigste Rührei, das Liesel je gegessen hatte, und pochierte die Eier perfekt, was Liesel vollends beeindruckte, denn jedes Mal, wenn sie das ausprobierte, endete sie mit grau-gelben harten Kugeln.
Marilyn kam gähnend und sich reckend herunter und sah sich schuldbewusst, aber mit den rosigen Wangen um, die man vom unerwarteten Ausschlafen bekommt. Die Heathers und die Sedgewicks waren da nicht bloß versorgt, sondern zusammen auf einen Ausflug nach St. Ives aufgebrochen. Liesel war völlig satt von mindestens zwei Frühstücken, denn sie hatte der Versuchung nicht widerstehen können, alles zu probieren. Nun versuchte sie Kalorien loszuwerden, indem sie Eric mit aller Kraft beim Aufräumen der Küche
Weitere Kostenlose Bücher