Verliebt bis unters Dach Roman
offenbar geduscht, sah aber ungefähr genauso aus wie die Lorraine, die eine halbe Stunde zuvor im Turm verschwunden war. Sie trug ein schlichtes, aber nicht sonderlich schickes altmodisches schwarzes Satinkleid. Das Haar war nicht zu dem üblichen straffen Pferdeschwanz gebunden, sondern hing ihr lose über die Schultern.
Sie trug sogar dieselben vernünftigen Pumps mit dem niedrigen Absatz, die sie immer zu der schwarz-weißen Kellneruniform trug.
Liesel und Marilyn tauschten einen Blick miteinander. Sie wollten beide etwas sagen, aber nicht Lorraines Gefühle verletzen.
Kashia kannte solche Hemmungen nicht.
»Du gehen aus mit neuem Mann... so? Du kannst nicht mit Tierarzt Adrian ausgehen und wie seine Patienten aussehen.«
»Wie meinst du das?« Lorraine blinzelte sie besorgt an.
»Komm, ich dir zeigen.«
Kashia nahm sie bei den Schultern und führte sie zu dem riesigen goldgerahmten Spiegel in der Halle.
»Siehst du. Du kein Make-up.«
»Ich trage nie Make-up.«
»Klar, ist okay für Arbeit, aber wenn du ausgehen, ist okay, Gesicht helfen, gut aussehen. Du hast weiße Haut. Du brauchst Farbe auf Lippen. Auf Wangen, auf Augen. Und das Kleid... sieht aus wie wenn Essen bringen. Deine Haare...« Sie fuhr verzweifelt mit den Fingern durch Lorraines Haarsträhnen. »... also, ich nicht gern sagen, aber Godrich hat besseren Stil als du.«
»Ich sehe also nicht gut aus?«, fragte Lorraine und wirkte, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.
Trotz Marilyns warnenden Blicken schüttelte Kashia den Kopf sehr heftig, und Lorraine wirkte noch bedrückter.
»Wir haben doch alle zusammen einen ganzen Sack voll Make-up«, meinte Liesel rasch und pflichtete damit Kashia in deren Urteil bei, stellte es bloß anders dar. »Komm, wir besorgen dir einen Lippenstift, und ich habe ein Kleid, das dir vermutlich traumhaft steht.«
»Euch gefällt mein Kleid nicht?«
»Ist ein schönes Kleid«, meinte Liesel schnell und beruhigend. »Für die achtziger Jahre«, murmelte sie der Schwester leise zu. »Aber ich glaube, du siehst besser in einer etwas helleren Farbe aus... ich habe ein wunderbares aus fliederfarbener Seide im Schrank... habe ich aus einem der Wohltätigkeitsläden in Kensington. Brandneu. Nur zwölf Pfund, und mir war es immer ein bisschen zu weit«, fügte sie hinzu, als Lorraines Blick fragend über ihre makellose Figur glitt. »Das passt dir sicher großartig.«
»Wir haben ja auch die gleiche Schuhgröße.« Marilyn nahm Lorraines Hand. »Sicher finden wir ein Paar passende Schuhe dazu. Oh, wie gut du riechst«, fügte sie dann angestrengt hinzu, weil sie dem armen Mädchen immerhin ein Kompliment machen wollte.
»Liesel sagte, ich könnte ihr Chanel benutzen, das du ihr letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hast«, sagte Lorraine so verzweifelt, dass selbst Kashias Herz weich wurde.
»Du nicht traurig sein. Wir machen schon. Du bist hübsches Mädchen. Ist leicht.«
»Ich bin hübsch?«, wiederholte Lorraine, als hätte Kashia ihr gerade mitgeteilt, sie wäre ein Mann.
»Du hübsch, ja. Du hast Gesicht wie glänzender Mond mit Augen wie Mitternachtshimmel.«
Vor Überraschung fielen Lorraine ihre Mitternachtshimmel-Augen fast aus dem Kopf, nicht nur wegen des poetischen Vergleichs, sondern auch über dessen Urheberin.
Kashia wandte sich an Liesel.
»Du hast Lockenwickler? Bitte? Ich Friseuse in Polen.«
Alle erstarrten und sahen sie überrascht an.
»Wirklich?«
Kashia nickte. »Klar. Ich gut. Ich mache Lorraine Haare wie Filmstar...«
Ed war auf dem Weg in Alex’ Badezimmer, um dort den tropfenden Wasserhahn zu reparieren, als er auf Alex, Godrich und Mätzchen stieß, die aufgereiht vor Liesel und Marilyns Badezimmer saßen.
»Was läuft denn hier ab?«
»Sie motzen Lorraine auf.«
»Er meint, wir machen sie hübsch!«, rief Marilyn hinter der Tür.
Ed verdrehte belustigt die Augen, beugte sich zu Alex und flüsterte: »Das erste Wort war richtig. Du kennst die Fernsehsendung, wo sie Autos, die eigentlich sehr gut laufen, aber verbraucht aussehen, aufmotzen, dass sie wieder ganz fit und frisch aussehen?«
Alex nickte.
»Genau das machen sie mit Lorraine. Komm, Kleiner.« Er streckte eine Hand aus. »Wir machen jetzt Männersachen.«
»Was denn?«
»Wir reparieren den Wasserhahn in deinem Badezimmer.«
Alex sah nicht sehr beeindruckt aus, daher überlegte Ed einen Moment.
»Möchtest du vielleicht lieber einen Kuchen backen?«
Eine Dreiviertelstunde später
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