Verliebt bis unters Dach Roman
fünf Stunden in ihrer Gesellschaft verbracht und vielleicht genug von ihr.
Oh, die schrecklichen Folgen von niedrigem Selbstwertgefühl!
»Also, danke für den schönen Abend.«
Sie wollte fliehen. Sie hatte ihre Handtasche genommen und tastete nun nach dem Türgriff. Jetzt oder nie. Sollte er es wagen? Konnte er es wagen?
»Lorraine?« Das kam ziemlich gequetscht heraus, aber immerhin hatte er es gesagt.
Ihre Hand verharrte. Sie wandte sich fragend zu ihm um. Und dann sah er es: seine eigene Unsicherheit, die sich in ihrem Gesicht spiegelte. Da begann er zu lachen. Einen Moment sah sie ihn gequält an, doch dann sah er, dass ihre Lippen zu zittern begannen, und sie stimmte in sein Lachen ein. In dem Moment fand er den Mut, die Hände auszustrecken, das süße Gesicht zu umfassen und sie sehr sanft auf die Lippen zu küssen.
»Es ist wirklich komisch«, meinte er, als er lächelnd zurückwich, ihr Gesicht aber weiter hielt. »Diese Regeln, nach denen wir uns ständig richten sollen. All diese Dinge um Verabredung und Etikette - das klappt für uns einfach nicht.«
Ihr gefiel, wie er »für uns« sagte.
»Ich habe nie damit gerechnet, jemanden kennenzulernen, der genau so ist wie ich.«
Er nickte. »Ich auch nicht, Lorraine. Ich bin vermutlich nicht der romantischste Mann der Welt, und ich weiß oft einfach nicht, was ich tun soll, aber wenn du meinst, du könntest mit einem Mann wie mir glücklich sein, der dir Freundschaft und Ehrlichkeit bietet statt Parfüm und Blumen, dann können wir es vielleicht versuchen? Zusammen...?«
Vielleicht hatte er sich gerade als unromantisch bezeichnet, aber für Lorraine war es das Romantischste, was sie je gehört hatte.
Sie nickte heftig.
»Wir haben den ganzen Abend miteinander geredet, aber jetzt finde ich zum ersten Mal, dass wir wirklich miteinander sprechen. Klingt das blöd?«
»Nein, ich weiß genau, was du meinst.« Er ließ ihr Gesicht los und nahm ihre Hände. »Ich rufe dich morgen an«, versprach er.
Und sie wussten beide ganz genau, dass das auch so sein würde.
Lorraine glitt wie eine Ballerina ins Hotel, tänzelte ins Wohnzimmer, drehte eine Pirouette vor Marilyn und Liesel und umarmte sie dann beide.
»Na, wie war es?«, fragte Liesel überflüssigerweise.
»Ich habe einen Freund!«, jubelte Lorraine.
Sie rückten auseinander, so dass Lorraine sich zwischen sie setzen konnte.
»Wir wollen jetzt alles wissen. Erzähl!«
Und das geschah auch, wortwörtlich. Liesel hätte geschworen, dass es fast Wort für Wort war, vom Abholen im Hotel bis zum Abschiedskuss, und als Lorraine den Kuss beschrieb, sprang sie unfreiwillig wieder hoch und tanzte durch den Raum. Es war ein ziemlich seltsamer Anblick, ein bisschen so, als würde Königin Viktoria plötzlich ganz quirlig und mädchenhaft reagieren.
Doch dann erinnerte sie sich an den einzigen Teil des Abends, an dem sie sich nicht so wohl gefühlt hatte. Sie sackte von den Zehenspitzen auf die platten Sohlen herab. Die
Fünkchen ihrer guten Laune funkelten noch einen Moment weiter durchs Zimmer, ehe sie sich an der Terrassentür brachen und verlöschten wie ein Streichholz zwischen Daumen und Zeigefinger.
»Oh...«, sagte sie kummervoll. »Tom hat eine Freundin.«
Na, eine große Überraschung war es nicht, dass der tolle Tom Spencer kein Single war. Darüber hatten sie selbst schon spekuliert. Er hat sicher eine Freundin, hatten sie gesagt, und sie hatten Recht gehabt. Er hatte eine Freundin. Schlimmer noch, es war nicht bloß eine Freundin, sondern eine ausgewachsene Verlobte. Sie hatte einen Ring (groß und lupenrein), das Hochzeitskleid war bestellt und ein Termin, der aber noch geheim gehalten wurde.
Lorraine hatte sogar Fotos. Sie hatte ihre Kamera mitgenommen, um den Abend digital festzuhalten.
Sie hieß Caroline. Sie sah natürlich umwerfend aus. Dunkle glänzende Haare, eine Klassefrau. Lächelte viel, zeigte sehr weiße Zähne. Falls Liesel einen Makel an ihr finden konnte, und sie gab sich große Mühe, dann war es vielleicht, dass ihre Oberlippe ein wenig zu dünn war, aber das war schon weit hergeholt. Das Kleid, das sie trug, ja, dieses Kleid... es war wunderbar, elegant, offensichtlich sehr teuer, schimmerte und war sehr kurz, um die wohlgeformen Beine zu zeigen.
Tom sah auf den Fotos... nun, er sah in jeder Situation gut aus, aber Liesel behielt in Erinnerung, dass er den Arm um Carolines Taille gelegt hatte und strahlend lächelte.
Liesel schluckte die Enttäuschung
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