Verliebt bis unters Dach Roman
war keine Anspielung. Ich meine nur, dass ich Malerei sehr schön finde, ohne den Anspruch zu erheben, selbst eine gute Künstlerin zu sein. Ich habe ungefähr so viel Talent dazu wie Ruby, wenn man ihr einen Pinsel an den Schwanz bindet. Ich habe allerdings in der Schule Kunstgeschichte als Kurs belegt, und das hat mir sehr gefallen. Ich habe eine Weile mit dem Gedanken gespielt, Kunstgeschichte auch zu studieren, aber das ging nicht...« Sie brach ab.
»Es ging nicht?«, bohrte er weiter.
»Ich konnte nicht auf der Schule bleiben«, antwortete sie zögernd. »Ich musste Geld verdienen.«
»Was war denn passiert?«, fragte er leise, weil er an ihrem Gesichtsausdruck und ihrer Stimme erkennen konnte, dass sich hinter dem kurzen Satz ein wichtiger Vorfall verbarg.
»Die Realität ist passiert.« Liesel mied das Thema mit diesen vier schlichten Wörtern, wie schon oft zuvor. Das und ihr Wunsch, eine solche Unterhaltung nicht weiterzuverfolgen, hatten ihr im Laufe der Jahre eine Menge Erklärungen erspart.
Nicht, dass sie anderen nicht erzählen wollte, was passiert war. Sie mochte nur nicht das Mitleid, das diese Enthüllung immer mit sich brachte. Es passte ihr nicht, war ihr fast peinlich. Sie wollte nicht von anderen bemitleidet werden, sondern nur, dass man sie behandelte wie alle anderen. Aber immer, wenn sie jemandem erzählte, dass sie früh verwaist war, änderte das die Haltung des Gegenübers, auch wenn sie schon
eine Frau von Mitte zwanzig war und kein armes verlassenes Kind mehr.
Ja, ihre Eltern waren tot, aber es gab viele andere Menschen auf der Welt mit dem gleichen Schicksal und Schlimmerem. Sie war jetzt erwachsen, und auch Eltern können einen nur so weit begleiten. An irgendeinem Punkt muss man erkennen, dass man selbst die Verantwortung hat. Das Leben war letztendlich so, wie man es selbst in die Hand nahm.
Tom sah sie an, als würde er auf eine weitere Erklärung warten. Er rechnete nicht fest damit, aber er würde gerne zuhören, falls sie bereit dazu war. Kein Wunder, dass er so gut mit Tieren umgehen konnte. Es war seine ruhige, gelassene Geduld, die fast tröstlich und heilend wirkte. Liesel wusste, dass sie es ihm einfach nur zu sagen brauchte, und damit hatte es sich. Er würde die Information aufnehmen und darüber nachdenken, sich aber nicht davon beeinflussen lassen.
»Meine Mutter und mein Vater sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als ich fünfzehn war«, sagte sie mit fester Stimme.
Tom nickte langsam. Er verriet seine Gefühle bloß, indem er die Unterlippe zwischen die Zähne nahm.
»Das war bestimmt sehr schrecklich.«
»Ja.«
Das war es.
Er sah sie einen Moment lang an, wie um seinen Respekt zu bekunden, und als Liesel nichts weiter sagte, steuerte er die Unterhaltung zurück zum vorigen Thema.
»Die Frau von einem Freund ist Malerin.«
»Wirklich?«
Sie klang fröhlich und sehr erleichtert, dass die Unterhaltung in anderen Bahnen verlief
»Was macht sie denn?«
»Landschaften, Porträts, Häuser, Tiere, alles, was sie schön findet«, erwiderte er. »Sie ist sehr begabt. Sie hat bald eine Ausstellung in Truro. Freitagabend ist Eröffnung. Ich habe ihr versprochen, zu kommen, und habe eine Einladung für zwei... würdest du mitkommen?«
»Wirklich?«
Er nickte.
Ihr Lächeln strahlte auf wie ein Scheinwerfer.
»Das wäre fantastisch! Falls ich den Abend frei bekomme.«
»Ob das ein Problem ist?«
Liesel schüttelte heftig den Kopf, obwohl sie es eigentlich nicht wusste. In der letzten Woche waren sie gut belegt gewesen, was wunderbar war. »Je mehr Gäste, desto besser«, war Marilyns momentaner Lieblingssatz. Aber das hieß auch, dass alle mit anpacken mussten.
»Ich glaube nicht. Ich werde es mit Marilyn besprechen.«
»Klar«, sagte er, griff in die Tasche und zog einen Stift und eine kleine Karte heraus. »Ruf mich doch an und sag mir Bescheid.« Damit reichte er ihr seine Visitenkarte, auf deren Rückseite er eine Telefonnummer notiert hatte. »Das ist meine Handynummer.«
»Okay. Danke. Ja.«
»Hoffen wir, dass es klappt. Vielleicht bis Freitag. Falls nicht, versuche ich, am Wochenende ein paar Stunden für Ruby frei zu machen.«
»Das wäre auch schön...«
»Bis bald also...«
Marilyn hatte Ed die Bar überlassen und saß im Wohnzimmer auf dem Sofa, aß Kartoffelchips und sah die Abendepisode
ihrer Lieblingsseifenoper Coronation Street, die sie auf dem alten Videorekorder aufgezeichnet hatte.
Es war zwar eigentlich Sommer und das
Weitere Kostenlose Bücher