Verliebt bis unters Dach Roman
zu hören«, hatte Ed lächelnd erwidert. »Denn manchmal finde ich es sehr schwer, Frauen zu verstehen.«
Liesel war traurig, aber keineswegs überrascht, dass ihre Prophezeiung sich bewahrheitete. Seit dem Kuss, der sie beide so schockiert hatte, war Tom so gut wie verschwunden. Sie wusste den Grund. Wenn er in etwa die gleichen Gefühle ihr gegenüber hegte wie sie für ihn, dann fühlte er sich wahrscheinlich ungeheuer schuldig. Sie war vielleicht ungebunden, er aber keineswegs. Sie begriff zwar, warum er genauso rasch und vollständig aus ihrem Leben verschwunden war, wie er darin aufgetaucht war, aber sie begriff nicht, warum sie das so furchtbar und zutiefst traurig machte. Wie konnte sie jemanden so vermissen, den sie kaum kannte? Denn jedes Mal, wenn sie Schritte auf den viktorianischen Fliesen der Eingangshalle hörte, schlug ihr Herz so heftig gegen die Rippen wie Rubys Ball gegen die Mauer im Hof - weil er es hätte sein können.
Um sich von Gedanken an Tom Spencer abzulenken, stürzte Liesel sich in die Organisation einer weiteren Veranstaltung. Die Weinprobe war großartig gelaufen, doch diesmal beschloss sie etwas weniger Gefährliches, und zwar ein Fischessen. Mit Hilfe von Ed und Eric hatte sie ein wunderbares Menü ausgearbeitet, das ausschließlich Meeresfrüchte aus Cornwall bot. Jimmy und David hatten überall in Piran, Piran
Cove und Piran Bay Flugblätter für sie verteilt. Daher kam es, dass das Hotel zwar leer, der Speisesaal dafür aber restlos ausgebucht war.
»Das hat sich schneller herumgesprochen, als wir geahnt haben. Guck mal, wer da ist!«
Liesels Blick folgte Marilyns.
An der Bar stand ein Mann in einem gut geschnittenen Anzug. Er hatte den Ellbogen auf die Theke gestützt. Im Whiskeyglas in seiner Hand fing sich das flackernde Feuer. Sein Blick wanderte neugierig durch den Raum.
»Sean Sutton«, seufzte Liesel. »Was macht der denn hier?«
»Hat vermutlich etwas damit zu tun, dass ich ihm heute Morgen mitgeteilt habe, dass wir an einem Verkauf des Hotels nicht mehr interessiert sind«, antwortete Marilyn, aber es gelang ihr nicht, es beiläufig klingen zu lassen.
»Wie bitte?«
»Ich wollte es dir heute Abend nach dem Essen sagen, aber jetzt sage ich es dir lieber selbst, damit du es nicht von ihm hörst. Ich hoffe, du bist damit einverstanden, Liesel. Ich weiß, ich hätte es zuerst mit dir diskutieren sollen, aber er rief heute Morgen an und hat mich so gedrängt, dass ich plötzlich dachte, warum sollen wir eigentlich verkaufen? Warum bleiben wir nicht hier? Wir sind hier doch glücklich, oder? Ich weiß, das Geschäft geht momentan nicht so toll, aber daran sind wir gewöhnt, und es geht uns hier am besten, seit...« Marilyn musste abbrechen, denn ihr Mund wurde plötzlich von Liesels Armen versperrt, die sie um die Schwester geschlungen hatte. Sie schrie vor Freude so laut, dass die Gäste sich nach ihr umdrehten.
»Soll ich das so verstehen, dass du einverstanden bist?«
Liesel nickte heftig.
»Ich bin nie glücklicher gewesen, und wie du weißt, geht es mir momentan nicht so gut.« Mit einem Blick zu Sean runzelte sie die Stirn. »Er ist vermutlich hier, um uns umzustimmen, ja? Ich dachte, es gibt Brasse und keinen Hai.«
»Ein gefährlicher Raubfisch, aber sehr reizvoll«, murmelte Marilyn.
»Reizvoll?«, wiederholte Liesel überrascht, während sie mit Raubfisch und gefährlich voll einverstanden gewesen war.
»Man muss gestehen, dass er sehr gut aussieht.«
»Genau«, nickte Liesel. »Aber das reicht nicht, um ihn reizvoll zu machen.«
»Um so erfolgreich zu sein wie er, muss mehr an ihm dran sein als bloß sein Aussehen.«
»Ah!« Liesel nickte verständnisvoll. »Das ist die Macht. Es ist schon erstaunlich, dass Frauen noch den hässlichsten Mann anziehend finden können, solange er erfolgreich ist.«
»Man braucht also nicht gut auszusehen, um attraktiv zu sein«, erläuterte Marilyn. »Aber was ist, wenn jemand gleichzeitig gut aussehend und erfolgreich ist?«
»Reizvoll?«, wiederholte Liesel und begriff es nun. »Schade nur, dass er derart von sich eingenommen ist, dass er sich ständig selbst bewundernd zuguckt.«
Marilyn prustete los.
Vielleicht war es das Lachen, vielleicht auch das Gefühl, dass zwei Augenpaare ihm fast ein Loch in den makellosen Boss-Anzug brannten, jedenfalls drehte Sean Sutton sich in genau diesem Moment um und sah, wie Liesel zu ihm herüberstarrte. Zu ihrer Überraschung begann er herzlich und sehr nett zu
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