Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe
ist das Böse, und die Gewaltlosigkeit der einzige Weg derer, die wach geworden sind. Dieser Weg wird niemals der aller sein, und niemals der der Regierenden und derer, die die Weltgeschichte machen und die Kriege führen. Die Erde wird also nie ein Paradies und die Menschheit nie mit Gott eins und versöhnt sein. Die Bösen werden regieren und raffen, die Gleichgiltigen werden, sei es jubelnd oder knirschend, mitlaufen, und die wenigen Wachgewordenen werden zusehen, werden aber auch immer wieder der Welt des Bösen und der Macht solch wunderbare Rettungsversuche entgegensetzen wie die Buddha, Sokrates, Jesus, wie das Urchristentum, das Quäkertum, den Geist Gandhis.
Wenn man weiß, auf welcher Seite man steht, lebt man freier und ruhiger. Immer muß man auf Leiden und Vergewaltigung gefaßt sein, niemals aber darf man
zum Töten bereit sein.
Aus einem Brief vom 10. August 1950
I ch verstehe es und billige es, wenn ein Mensch viel von sich selbst verlangt, wenn er aber diese Forderung auf andere ausdehnt und sein Leben zum »Kampf« für das Gute macht, so muß ich mich des Urteils darüber enthalten, denn ich halte von Kampf, Aktion, Opposition nicht das mindeste; ich glaube zu wissen, daß jeder Wille zur Änderung der Welt zu Krieg und Gewalt führt, und kann darum mich keiner Opposition anschließen, denn ich billige die letzten Konsequenzen nicht, und halte das Unrecht und die Bosheit auf Erden nicht für heilbar. Was wir ändern können und sollen, das sind wir selber: unsere Ungeduld, unser Egoismus (auch der geistige), unser Beleidigtsein, unser Mangel an Liebe und Nachsicht. Jede andere Änderung der Welt, auch wenn sie von den besten Absichten ausgeht, halte ich für nutzlos, darum habe ich auch keinerlei Beziehungen zu oppositionellen Parteien und Blättern, und kann Ihnen also leider auch in dieser Hinsicht keinen Rat geben.
Ich möchte mit meinen Worten keine Kritik an Ihrem Standpunkt üben, ich habe Achtung vor jedem ernsten Willen, aber mein eigener Standpunkt ist ein völlig anderer, es hätte keinen Sinn, dies nicht klar auszusprechen.
Ich würde für einen Menschen, der in Ihrer Lage ist, es für das beste halten, daß er irgendwo eine positive, aufbauende, dienende Arbeit fände, auch
wenn sie unter Opfern und Zugeständnissen geschehen muß. Dies schiene mir das einzige, was anzustreben wäre. Den intellektuellen Kampf gegen
Unfreiheit und Gewalt, obwohl zu Zeiten auch er notwendig ist, halte ich nicht für eine Tätigkeit, die einen leidenden Menschen aufrichten und
beglücken kann.
Aus einem Brief vom 25. September 1933
Späte Prüfung
N ochmals aus des Lebens Weiten
Reißt mich Schicksal hart ins Enge,
Will in Dunkel und Gedränge
Prüfung mir und Not bereiten.
Alles scheinbar längst Erreichte,
Ruhe, Weisheit, Altersfrieden,
Reuelose Lebensbeichte –
War es wirklich mir beschieden?
Ach, es ward von jenem Glücke
Aus den Händen mir geschlagen
Gut um Gut und Stück um Stücke;
Aus ist’s mit den heitern Tagen.
Scherbenberg und Trümmerstätte
Ward die Welt und ward mein Leben.
Weinend möcht ich mich ergeben,
Wenn ich diesen Trotz nicht hätte,
Diesen Trotz im Grund der Seele,
Mich zu stemmen, mich zu wehren,
Diesen Glauben: was mich quäle,
Müsse sich ins Helle kehren,
Diesen unvernünftig zähen
Kinderglauben mancher Dichter
An unlöschbar ewige Lichter,
Die hoch über allen Höllen stehen.
10. November 1944
J a, sagen Sie Ja zu sich, zu Ihrer Absonderung, Ihren Gefühlen, Ihrem Schicksal! Es gibt keinen andern Weg. Wohin er führt, weiß ich nicht, aber er führt ins Leben, in die Wirklichkeit, ins Brennende und Notwendige. Sie können ihn unerträglich finden und sich das Leben nehmen, das steht jedem offen, der Gedanke daran tut oft wohl, auch mir. Aber ihm entgehen, durch Entschluß, durch Verrat am eigenen Schicksal und Sinn, durch Anschluß an die »Normalen«, das können Sie nicht. Es würde nicht lang gelingen und größere Verzweiflung bringen als die jetzige.
Ihre andere Frage ist schwerer zu beantworten: ob das Leben von unsereinem, so abseits, so unnormal, so unter anderen Gesetzen als die der heutigen
Welt sich lohne, und den, der es lebt, befriedige. Ich weiß darauf keine Antwort, oder jeden Tag eine andre. Ich denke an manchen Tagen, es sei
alles vergeblich und töricht gewesen, was ich angestrebt und woran ich geglaubt habe. An andern Tagen empfinde ich mich und mein Leben, so schwierig
es ist, als vollkommen gerechtfertigt,
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