Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe
es hat, wie mir versichert wird, manche tausend Franken gekostet. Da lacht mir das Herz. Ein Magistrat, ein Verkehrsverein samt Bürgerausschuß haben sich da zusammengetan, um etwas zustande zu bringen, was mich und manche andere entzückt, was aber jedem echten Volkswirtschafter, jedem wirklichen Freund des Nützlichen wie ein toller Spuk erscheinen muß. Sie haben beschlossen, sich und den zur Zeit anwesenden Kurgästen einmal einen rechten Spaß zu machen. Sie haben beschlossen, auf die hübscheste, unnützeste und rascheste, auf die flatterhafteste und lustigste Art der Welt einige tausend überflüssige Franken in die Luft zu jagen, und es ist ihnen vortrefflich geglückt, das muß ich sagen. Es war großartig. Es fing mit einem gewaltigen Kanonenschlag an, einer Parodie auf alle Kriege und Morde, einer musikalisch-scherzhaften Verwendung der ernsthaftesten Kräfte, die der findige Mensch in seinen Dienst zu stellen gewußt hat. Und so ging es weiter. Statt geschossen wurde geknallt, statt Granaten kamen Raketen, statt Schrapnells kamen Leuchtkugeln, statt Verwundungen gab es Ausrufe des Entzückens, kurz, der ganze kostspielige Krieg tobte sich bei aller Pulververschwendung so harmlos und liebenswürdig, so bunt und vergnüglich aus, daß es eine Freude war.
Außerdem verlief dieser Krieg, ein sehr klug und tief vorausbedachter und berechneter Feldzug, keineswegs so dumm und geistlos wie Kriege sonst verlaufen. Auch den Granatenkriegen, den wirklichen, auch den Kriegen der Generäle liegen ja meistens sehr kluge und genaue Pläne und Vorausberechnungen zugrunde, nur leider kommt es immer ganz anders, und schließlich steckt man statt in der Ausführung einer genau berechneten technischen Aktion in großen Schweinereien drin, die niemand vorausgesehen hat, und welche niemand erfreuen können. Hier aber, bei diesem prachtvollen Kleinkrieg, ging alles wie vorausgedacht, es verliefen Auftakt und Vorspiel, Steigerung und Verzögerung und alles bis zum glänzenden Schlußeffekt durchaus so, wie es gewollt war, es war kein blindes und rohes Geschehen, wie die Kriege es meistens trotz den Generalstabsplänen werden, sondern es war eine rein geistige, rein spielerische, eine völlig ideale Angelegenheit.
Es war die Frage zu lösen; wie kann man soundso viel tausend Franken in möglichst kurzer Zeit zum Vergnügen möglichst vieler und ohne jede üble Folge verpulvern? Die Frage wurde genial und restlos gelöst. Verteilt auf einige wenige große Bukette von Riesenraketen, jedes für einige Tausend, sauste in kurzer Frist der ganze Betrag aufs erfreulichste in die Lüfte, jeder Augenblick dieses Ablaufs entsprach der Absicht des Feuerwerkers, das Programm wickelte sich ab wie eine Symphonie nach den magischen Vorschriften der Partitur abgespielt wird, und jeder Moment dieser Abwicklung war für uns Zuschauer voll Spannung und Genuß. Es wurde dasselbe erreicht wie mit aller hohen und echten Kunst: ein Erinnertwerden an göttliche, geistfunkelnde Lebensräume, ein wehmütiges Lächeln über das rasche Vergehen und Hinwelken alles Schönen, ein tapferes Einverstandensein mit dem verschwenderischen Schauspiel. War auch vielleicht der eine und andere kleine arme Teufel mit unter den Zuschauern, der zwischenhinein gelegentlich dachte, wie sehr ihm damit gedient wäre, wenn er den zehnten oder zwanzigsten Teil dessen bekäme, was das hübsche vergängliche Schauspiel kostete – das waren geringe Ausnahmen. Die Mehrzahl der Zuschauer – das fühlte man deutlich in der Festatmosphäre dieses Abends – dachte nicht an solche Nichtigkeiten, sie standen mit aufgerissenen Augen, mit zurückgebogenen Köpfen, sie lachten und schwiegen und waren entzückt, bezaubert und irgendwo auch erschüttert von der Schönheit dieser Vorgänge: von ihrer Planmäßigkeit, von ihrer offensichtlichen Nutzlosigkeit, von der gewaltigen Verschwendung an Pulver, an Licht, an Geist und Berechnung, von dem ganzen riesigen Aufwand, der da für nichts getrieben wurde, von dem ganzen kostspieligen und witzigen Apparat, der da in Bewegung gesetzt wurde, bloß um sich einen kurzen, kleinen Spaß zu machen. Ich glaube sogar, wenn es erlaubt ist das zu sagen, daß das Gefühl, das die meisten dieser bezauberten Zuschauer dabei erlebten, dem der Frömmigkeit ebenso nah verwandt war wie die Gefühle, mit denen die sonntäglichen Kirchenbesucher eine Predigt anhören.
Gewiß, wenn ich wirklich der Nörgler wäre, als den mich meine Freunde und Feinde gern
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