Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe
die mit Trauer gesättigte Bezauberung durch das Wunder des Schönen Stunden, Tage, ein Leben lang dauern.
Aus einem Notizbuch, um 1950
A lle Dinge auf Erden sind schön oder können schön sein, wenn ein Künstler sie betrachtet, und das
Entdecken und Festhalten dieser Schönheit bedeutet ein hohes Glück: die alten Lärchenstämme und jede Biegung ihres geschmeidigen Geästes, jede
Arabeske, die das Wiegen ihrer Zweigspitzen im leichten Winde in das Blau und Weiß des Himmels schrieb, die sanft gekrümmte Linie eines zu Tal
führenden Fußpfades, die mit zäher Kraft geladenen Wülste der dicken Baumwurzeln, auf die wir unsre Sohlen setzen, die schattigen und die
besonnten Moospolster, die Schnecke am Stiel eines Grashalms, das von braunen Adern durchzogene grüne Blatt eines Löwenzahns, das Aufblitzen eines
Wassertropfens am dürren dünnen Zweig eines erstorbenen Zwergbäumchens, die mattglasige Quarzader quer durch einen geborstenen Stein, aber auch
die Ameise, die mir beim Stehenbleiben über den Schuh rannte, und noch das silberne Fetzchen Stanniol, dessen Aufgabe es gewesen war, ein
Stückchen Schokolade zu umhüllen, und das sich jetzt ganz und glücklich der Aufgabe widmete, etwas von dem blauen und dem goldenen Licht dieser
Stunde zu spiegeln und mitten in einer feuchten Schattenmulde den Stern zu spielen.
Aus »Sommerbrief«, 1959
U nser Herz kommt dem Elementaren und scheinbar Ewigen willig und voll Liebe entgegen, schlägt mit dem Takt des Wellenganges, atmet mit dem Winde, fliegt mit den Wolken und Vögeln, fühlt Liebe und Dankbarkeit für die Schönheit der Lichter, Farben und Töne, weiß sich zu ihnen gehörig, ihnen verwandelt, und bekommt doch niemals von der ewigen Erde, dem ewigen Himmel eine andre Antwort als eben jenen gelassenen, halb spöttischen Blick des Großen für das Kleine, des Alten für das Kind, des Dauernden für das Vergängliche. Bis wir, sei es in Trotz oder Demut, in Stolz oder in Verzweiflung, dem Stummen die Sprache, dem Ewigen das Zeitliche und Sterbliche entgegenstemmen und aus dem Gefühl der Kleinheit und Vergänglichkeit das ebenso stolze wie verzweifelte Gefühl des Menschen wird, des abtrünnigsten, aber liebefähigsten, des jüngsten, aber wachsten, des verlorensten, aber leidensfähigsten Sohnes der Erde. Und siehe, unsre Ohnmacht ist gebrochen, wir sind weder klein noch trotzig mehr, wir begehren nicht mehr das Einswerden mit der Natur, sondern stellen ihrer Größe die unsre entgegen, ihrer Dauer unsre Wandelbarkeit, ihrer Stummheit unsre Sprache, ihrer scheinbaren Ewigkeit unser Wissen vom Tode, ihrer Gleichgültigkeit unser der Liebe und des Leidens fähiges Herz.
Aus »Beschreibung einer Landschaft«, 1947
N ächst der Liebe, die zwischen Menschen selten rein ist und nicht ohne Kämpfe und Opfer leben kann, gibt
es für uns Menschen nichts Schöneres und Tröstlicheres als das reine Schauen, das stille, redliche Miterleben der Natur um uns her, im Kleinen und
Großen. Das ist gut gegen allen Hochmut, zu dem man etwa neigt, denn es zeigt uns, wie beschränkt und vielfach gebunden wir im Weltgetriebe
hängen.
Aus einem Brief vom Juli 1908
D ie Menschen, denen auf Reisen Fremdes schnell und freundlich vertraut wird und die ein Auge fürs Echte
und Wertvolle haben, das sind dieselben, welche im Leben überhaupt einen Sinn erkannt haben und ihrem Stern zu folgen wissen. Ein starkes Heimweh
nach den Quellen des Lebens, ein Verlangen, sich mit allem Lebendigen, Schaffenden, Wachsenden befreundet und eins zu fühlen, ist ihr Schlüssel zu
den Geheimnissen der Welt, welchen sie nicht nur auf Reisen in fremde Länder, sondern ebenso im Rhythmus des täglichen Lebens und Erlebens
begierig und beglückt nachgehen.
Aus »Über das Reisen«, 1904
S ie schreiben, es gebe für Sie einen Großen und Wissenden, es sei der, der den Spruch vom ewigen Rad der Wiederkehr getan habe. Ich weiß nicht, wen Sie meinen, vermute aber, es sei Buddha. Nun ist aber die Lehre und das Gleichnis vom Rad der ewigen Wiederkehr keine Erfindung Buddhas, sondern ist lang vor ihm dagewesen. Und das, worum Buddha sich in seinen Hunderten von Predigten bemüht hat, ist nicht die Lehre vom Rad der Wiederkehr, die jedem bekannt war, sondern eine neue Lehre von der Erlösung aus der ewigen Wiederkehr, vom Weg zu Nirwana.
Ich habe, offen gestanden, den Eindruck, daß Ihr jungen Menschen heute es Euch allzu leicht macht. Ihr sprecht von Buddha und liebt ihn für
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