Verliebt in eine Kidnapperin?
Sinn gewiss nicht nach einer Beziehung. Es wäre dumm und naiv von ihr, darauf zu bauen. Denn schon bald würde er wieder abreisen.
Und sie stünde da mit leerem Herzen und leeren Händen.
Jeremy spürte ein Prickeln auf der Haut, wo Kirsten ihn berührt hatte, und dieses Prickeln wollte nicht nachlassen. Ihr Mitgefühl, ihr Verständnis hatten ihn mitten ins Herz getroffen. Doch noch ehe er länger darüber nachdenken konnte, trat der Kellner an ihren Tisch. „Darf ich abräumen?“
„Gern“, sagte Kirsten. „Vielen Dank.“
Der Kellner nahm auch Jeremys Gedeck mit.
„Möchten Sie ein Dessert?“, erkundigte sich der junge Mann.
Da Jeremy den Abend nicht schon beenden wollte, erwiderte er: „Ja. Bringen Sie uns bitte die Karte.“
Kaum war der Kellner verschwunden, klingelte Jeremys Handy.
Seit dem Verschwinden seines Vaters ließ Jeremy es ständig eingeschaltet. Man konnte nie wissen, wann jemand anrufen würde, um mitzuteilen, dass man seinen Vater gefunden hatte. Er warf einen Blick aufs Display und erkannte die Nummer.
„Entschuldigen Sie bitte“, sagte er zu Kirsten. „Das ist ein Kollege aus Sacramento.“
„Selbstverständlich.“
Jeremy nahm das Gespräch entgegen. „Wie geht’s denn so?“, erkundigte sich Jack Danfield. „Hast du etwas von deinem Vater gehört?“
„Nein, noch nicht. Ich bin gerade beim Essen. Kann ich dich später zurückrufen?“
„Ja, aber lass mich dir kurz erklären, worum es geht. Ich habe einen zwölfjährigen Jungen in der Notaufnahme, der in einen Autounfall verwickelt war. Seine Beine sind mehrfach gebrochen. Die Blutgefäße sind zerstört, und ich fürchte, wir müssen amputieren. Aber ich wollte erst mit dir darüber reden. Im vergangenen Sommer hattest du einen ähnlichen Fall, bei dem du das Bein retten konntest.“
Jeremy schaute auf seine Uhr. Er brauchte genauere Informationen. Das Gespräch würde nicht nur Zeit kosten, sondern auch seine ganze Aufmerksamkeit erfordern. „Ich rufe dich in etwa zehn Minuten an, Jack. Ist das in Ordnung?“
„Aber sicher.“
Jeremy klappte das Handy zu und schaute seine Begleiterin an, die von Minute zu Minute hübscher zu werden schien. „Es tut mir wirklich sehr leid, Kirsten. Ich muss ein längeres Telefonat führen, um mich mit einem Kollegen zu beraten. Vielleicht kann er einem Jungen das Bein retten. Leider muss ich unser Abendessen beenden.“
Sie griff nach ihrer Handtasche, die über der Stuhllehne hing. „Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Jeremy. Dafür habe ich vollstes Verständnis.“
Jeremy bezahlte, und fünf Minuten später saßen sie im Wagen.
„Ich bedauere es außerordentlich, dass unser Abend so endet“, entschuldigte er sich erneut.
„Ich bitte Sie. Ihre Patienten gehen vor, das ist doch selbstverständlich. Ich hoffe nur, dass für den Jungen alles gut geht.“
Das tat Jeremy auch.
Vor ihrem Haus hielt er an. Sie stiegen aus, und er begleitete sie bis zur Tür. Er musste Jack so schnell wie möglich anrufen, aber er konnte sich einfach nicht von Kirsten lösen.
Sollte er es riskieren, ihr einen Gutenachtkuss zu geben?
Wollte er tatsächlich eine Beziehung mit ihr anfangen? Wie intensiv durfte sie werden?
Natürlich hatte er allen Grund, auf dem Absatz kehrtzumachen und zu verschwinden. Aber der Abend mit ihr hatte ihm sehr gut gefallen, und er hätte gern noch so viel mehr über sie erfahren.
„Vielen Dank für das Abendessen“, sagte sie. „Das Bernardo war wirklich eine gute Idee.“
„Ich danke Ihnen. Aber ich bin Ihnen noch einen Nachtisch schuldig.“
„Überhaupt nicht.“ Lächelnd sah sie zu ihm hoch. Ihre blauen Augen glänzten im Licht der Lampe über der Veranda. „Das Essen war so köstlich und so reichhaltig, dass ich ohnehin kaum Platz für mehr gehabt hätte.“
Einen Moment standen sie unbeweglich und sahen sich in die Augen. Hätte sie Jeremy unter anderen Umständen ins Haus gebeten?
Erneut dachte er über einen Gutenachtkuss nach. Sollte er – oder lieber doch nicht?
Warum ging ihm diese Frage überhaupt durch den Kopf? Weil der Wunsch, sie zu küssen, überwältigend stark war.
Zum Teufel noch mal. Er legte eine Hand auf ihre Wange, spürte die weiche Haut und die Rundung ihres Wangenknochens.
Sie neigte den Kopf und öffnete die Lippen. Mehr Ermutigung brauchte er nicht.
4. KAPITEL
Kirsten hatte mit allem Möglichen gerechnet, als Jeremy sie zur Haustür begleitete – aber ganz gewiss nicht mit diesem atemberaubenden
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