Verliebt in einen Unbekannten
sagte ich. Meine Stimme klang, als wäre ich benebelt.
»Bist du taub? Ich habe dreimal deinen Namen rufen müssen, bevor du mich gehört hast.«
Ich lächelte. »Nein, ich bin nicht taub. Nur â¦Â« Ich verstummte. Nur total am Boden zerstört , dachte ich.
Hailey sah mich misstrauisch an. »Warum stehst du da in der Tür? Du siehst doch nicht etwa Gespenster, oder?« Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen. Sie sah Sam nicht unähnlich, zerknittert und mit zerrauftem Haar nach der Nacht auf dem anderen Sofa, wo sie sich gleich unter drei Schlafsäcken verkrochen hatte.
»Nein. Ich habe bloà Sam rausgelassen. Er musste nach Edinburgh zurück.«
Hailey nickte weise. »Ja. Wir hatten eine nette kleine Unterhaltung, nachdem gestern Abend alle ins Bett gegangen waren. Wahnsinn, dass er die Rolle bekommen hat, nicht?«
Ich nickte. Schweigen senkte sich über uns herab. Wir hatten uns gestern zusammengerissen, weil es die Situation erforderte, doch jetzt stand der grauenhafte Anruf von letzter Woche zwischen uns. Obwohl ich am liebsten aufgebraust wäre, weil sie mich verdächtigt hatte, mit Matty zu schlafen, fiel es mir schwer, etwas anderes als Zuneigung für Hailey zu empfinden, die dort mit ihrem seltsamen stacheligen Heiligenschein auf dem Kopf vor mir stand. Mein alter Schlafanzug spannte sich über ihrem neuerdings runden Bauch.
»Ich bin nicht schwanger«, teilte sie mir mit, als sie meinem Blick folgte. »Ich bin fett.«
Ich blieb an der Tür stehen, unsicher, was ich sagen sollte. Glücklicherweise hatte Hailey beschlossen, das Gespräch zu führen. »Frustessen nennt man so was«, erklärte sie, »oder vielmehr Frusttrinken. Ich hatte Matty schon lange Zeit in Verdacht, dass er mich hintergeht.« Sie starrte mich trotzig an, als wollte sie mich herausfordern, ihr zu widersprechen. Ich erwiderte nichts, ging nur langsam zum Tisch hinüber und setzte mich. Dann bedeutete ich ihr, das Gleiche zu tun.
Hailey holte sich einen Schlafsack aus dem Wohnzimmer, setzte sich und legte ihn sich über den Bauch, etwas, was ich sie noch nie hatte tun sehen. Hailey hatte einen umwerfenden Körper, wohlgepolstert, mit wogendem Busen, auf den sie immer sehr stolz gewesen war. Jetzt war sie es nicht mehr. Sie versteckte sich. Der Tag mit den zwanzig Würstchen ergab jetzt sehr viel mehr Sinn.
»Und bevor du fragst«, sagte sie, »es ist mir nie auch nur ansatzweise in den Sinn gekommen, dass du mich mit Matty hintergehst. Doch ich wusste, dass er Mittwochabend irgendwo unterwegs gewesen war, deshalb habe ich sein Handy durchforstet ⦠In meinem durchgeknallten Zustand dachte ich, er hätte dich gevögelt, wenn du ihn am nächsten Abend um kurz vor elf anrufst â¦Â« Sie zog den Schlafsack enger um sich. »Tut mir leid«, sagte sie verlegen. »Du hast versucht, mir zu helfen, und ich habe mich wie eine Psychopathin aufgeführt.«
Ich konnte es nicht ertragen, Hailey derart gebrochen und beschämt zu sehen. »Nein«, sagte ich leise. » Mir tut es leid. Ich war betrunken. Es ist unverzeihlich, dass ich um diese Uhrzeit angerufen habe.«
»Aber du wolltest Matty sprechen, nicht mich!«, sagte sie. Ihre Augen blitzten. »Du hast das Richtige getan! Wie konnte ich dich nur jemals verdächtigen? Ich ⦠ach, Mist«, sagte sie, offenbar empört über sich selbst.
»Hör auf damit, Hails«, sagte ich. »Hör auf, dich so zu quälen. Du trägst keine Schuld an der Sache. Matty ist derjenige, der sich vergaloppiert hat.«
Sie nickte nachdenklich. »Kann ich Tee machen?«, fragte sie schlieÃlich. Ihre Stimme zitterte.
»Natürlich.«
Eine Träne fiel auf ihre Wange. »Und könntest du mich vielleicht in den Arm nehmen?«
Nach einer sehr langen Umarmung, während derer wir beide ein bisschen weinten, zogen wir uns an, machten mit Malcolm einen Spaziergang, und Hailey erzählte mir, was los war.
Von dem Moment an, in dem sie zu Matty gezogen war und ihn deshalb sehr viel häufiger sah, hatte sie festgestellt, dass er sich oft ziemlich seltsam benahm. Er war launisch und kam oft erst spät nach Hause mit einer Reihe bizarrer Ausreden, auÃerdem verbrachte er viel zu viel Zeit mit seinem iPhone. »Erinnerst du dich, wie verblüfft wir darüber waren, dass er stets online war, während er in diesem abgeschiedenen
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