Verliebt in einen Unbekannten
Vorstellung, dass ich es gewesen war, die ihn derart in ihren Bann gezogen hatte, war ⦠seltsam. Fast unheimlich. Ich war mir nicht sicher, ob mir das gefiel.
»Wie läuftâs bei First Date Aid?«, erkundigte er sich plötzlich.
Ich erstarrte. »Wieso?«
Sam wich meinem Blick aus, was meine Alarmglocken schrillen lieÃ. Er verfolgte definitiv irgendeine Absicht. »Keine interessanten Klienten im Augenblick?«
Mist. Worauf wollte er hinaus?
»Keinen bestimmten.« Ich zuckte die Achseln.
Sam ebenfalls. Beides war geheuchelt.
Insgeheim flehte ich ihn an, das Thema fallen zu lassen, doch offenbar hatte er andere Absichten. »Ich habe mich gefragt, ob du eine Klientin namens Shelley hast?«, stieà er mit seltsam gepresster Stimme hervor. »Sie, ähm ⦠sie ist die Freundin eines Freundes. Jemand meinte, sie wolle dich kontaktieren.«
O Gott! , dachte ich panisch. Langsam zählt er zwei und zwei zusammen! Er fragt sich, warum ich im Polpo war! Unbehagliches Schweigen breitete sich zwischen uns aus, während ich den Drang niederkämpfte, aufzustehen und davonzurennen oder mich gar aus meinem Wohnzimmerfenster im zweiten Stock zu stürzen. Sollte ich es ihm einfach sagen? Nein! NIEMALS ! Das würde unsere Freundschaft nicht überstehen. Unser Zusammenleben funktionierte ohnehin nur so gut, weil es in etwa die Tiefe einer Pfütze hatte, nicht die eines Teichs oder gar eines Bergsees.
»Nein, eine Shelley ist nicht unter meinen Kundinnen«, erklärte ich vage. »Da klingelt nichts.«
Sam strahlte und zuckte noch einmal gespielt die Schultern.
Ich musste hier raus. Unbedingt. »Ich glaube, ich gehe jetzt ins Bett«, verkündete ich. Sam rückte zur Seite, so dass ich die Beine vom Sofa schwingen konnte. »Gute Nacht, Bowes.«
»Nacht«, sagte er, in Gedanken längst meilenweit entfernt.
»Ach, nur damit du es weiÃt, ich mache First Date Aid dicht.«
Sam war schlagartig wieder bei mir. »Du machst was ?«
»Ich schlieÃe die Agentur. Ich schaffe es nicht mehr, seit ich wieder bei Salutech bin, und mein Job dort hat Vorrang.«
»Das kannst du doch nicht machen! First Date Aid ist genial, und das Geschäft läuft immer besser!«
Schuldgefühle beschlichen mich. Sam hatte all seine Kraft investiert, um mich beim Aufbau des Unternehmens zu unterstützen. Doch ich blieb fest. Ich hatte einen Pakt mit mir selber geschlossen. Wenn ich glücklich sein wollte, musste ich die Finger von der Dating-Agentur lassen. Ich durfte mir keine weiteren verrückten Aktionen leisten!
»Es tut mir wirklich leid, Bowes«, sagte ich sanft. »Ich weiÃ, wie viel Mühe du da reingesteckt hast. Ich würde dich gerne dafür bezahlen â¦Â«
Sam winkte ärgerlich ab. »Ich will nicht bezahlt werden. Ich will, dass du weitermachst. Es ist ein tolles Unternehmen. Weit besser als diese ScheiÃfirma, für die du arbeitest.«
»Mir bleibt keine Wahl, Bowes. Es tut mir wirklich leid. Gute Nacht.«
Als ich mir die Zähne putzte, überlegte ich, was Sam wohl denken würde, wenn er die Wahrheit erführe. Vermutlich würde er sich schrecklich darüber aufregen, dass seine Träumereien von Shelley Cartwright geplatzt wären und niemand anders als seine schlaksige, arbeitsgeile Mitbewohnerin sein Herz gestohlen hätte. Doch ich nahm auch an, dass die Sache damit für ihn beendet wäre. Männer tickten anders.
Für Sam liefe das Ganze nach dem Motto ab:
1. Enttäuschung,
2. ein Bier trinken,
3. eine andere suchen.
Gähnend zwirbelte ich ein Stück Zahnseide zwischen den Fingern. Ich sollte versuchen, noch ein bisschen zu arbeiten, aber ich war todmüde.
Dann wurden meine Grübeleien von Handygeklingel und Männergeschrei unterbrochen.
»O MEIN GOTT  â¦Â« Sam stand in der Badezimmertür und streckte mir mein schrillendes Handy entgegen. Er war weià wie die Wand. » NEIN !«, kreischte er.
Allmächtiger! Shelley! Ich hatte sie nicht zurückgerufen! Ich schnappte mir das Handy. Mir wurde ganz anders. SHELLEY CARTWRIGHT blinkte auf dem Display. Ich war geliefert.
Sam sah aus, als stünde er kurz vor einer Ohnmacht. »Nein!«, wiederholte er, diesmal eher krächzend.
»Ich wusste nicht, wer diese â¦Â«
» UNTERSTEH DICH «, stieà er mit heiserer Stimme hervor. » DU WARST DAS  ⦠ICH
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