Verliebt in Hollyhill: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
…« aufgehalten , wollte Emily sagen, doch da hatte ihre Großmutter sie bereits von sich geschoben und ihr Gesicht in beide Hände genommen.
»Emily«, sagte sie. »Esther war eine sehr erwachsene Person, als sie fortging, so erwachsen, wie nur jemand sein kann, der bereits seit mehr als sechs Jahrzehnten durch die Jahrhunderte gereist war.« Emilys Augen weiteten sich, während Rose die Hände von ihren Wangen zu ihren Schultern wandern ließ, um diese zu drücken.
»Sechzig Jahre«, wiederholte sie leise.
»Mehr als sechzig Jahre«, sagte Rose, »und das wiederum ist mehr als dreißig Jahre her. Was für uns andere ein knappes Jahrhundert bedeutet, seit wir das erste Mal durch Zeit und Raum katapultiert wurden.«
Emily schüttelte den Kopf, ließ ihre Großmutter dabei aber nicht aus den Augen. »Wieso?«, platzte es schließlich aus ihr heraus. »Ich meine, wie ist so etwas überhaupt möglich?«
Das war die Frage aller Fragen, nicht wahr? Obwohl Emily schon ahnte, wie unsinnig es eigentlich war, sie zu stellen.
»Das haben wir uns viele, viele Jahre gefragt«, sagte Rose, »du kannst dir vorstellen, wie weit wir damit gekommen sind.« Sie lächelte. »Wir wissen nichts über das Wie , nichts, bis auf die Umstände, unter denen es passiert, die Art und Weise. Und das Warum … darüber gibt es in diesem Dorf die unterschiedlichsten Ansichten. Harry mag das Ganze aus religiöser Sicht betrachten. Martha-May sieht es als unsere Aufgabe an, anderen zu helfen, weil sie …« Rose stockte einen Moment, dann schüttelte sie den Kopf. »Sie hat jemanden verloren, aber das ist eine wirklich, wirklich lange Geschichte.«
Sie seufzte. »Und natürlich gibt es diejenigen, die ihr Dasein als eine Art Fluch betrachten. Chloe«, sagte sie, und Emily runzelte die Stirn. »Matt. Vielleicht auch deine Mutter. Hier zu leben bedeutet, auf so vieles zu verzichten. Es bedeutet, sich selbst aufzugeben, in gewisser Weise. Es bedeutet, Abschiede in Kauf zu nehmen und den Schmerz, den diese nach sich ziehen. Es bedeutet aber auch, ein Leben voller Abenteuer, voller Wissen und Erfahrungen, es bedeutet …« Rose suchte nach Worten, dann lachte sie kurz auf, wurde aber gleich wieder ernst. »Wir haben viele Jahrzehnte gemeinsam verbracht, und es war oft, sehr, sehr oft hart. Man fühlt sich unbesiegbar, und dann … Auch wir haben erfahren müssen, was es bedeutet, Verluste hinzunehmen. Und trotzdem hatten wir immer noch uns.« Sie sah Emily an. »Es ist eine unglaublich schwere Entscheidung, dieses Leben hinter sich zu lassen«, sagte sie. »Unglaublich schwer und unglaublich mutig.«
» Mutig.« Emily räusperte sich. In ihrem Kopf schwirrte es , und sie brauchte einen Moment, um einen klaren Gedanken zu fassen. Und dann einen weiteren, um zu entscheiden, ob sie ihn laut aussprechen sollte. Was, wenn sie die Antwort ihrer Großmutter nicht würde ertragen können?
Sie holte Luft. »Ich frage mich, ob ich hätte bei ihr bleiben sollen«, sagte sie schließlich. »Ich meine, sie hat sich für mich entschieden, hat quasi ihr Leben für mich gegeben, und ich … ich hätte den Unfall verhindern können. Wäre ich bei ihr geblieben, ich …«
»Shhhh«, machte Rose, während sie eine Hand hob, um Emily am Weitersprechen zu hindern. »Shhhh. Denk nicht einmal daran, dass es in deiner Verantwortung liegen könnte, was geschehen ist. Wir mögen das Schicksal von sehr vielen Menschen verändert haben und unser eigenes zum Teil, aber es ist, was es ist und immer war und immer bleiben wird – Schicksal. So oder so. Verändertes Leben oder nicht. Wir greifen nicht da ein, wo wir nicht eingreifen sollen. Wir verändern nichts, was nicht verändert werden soll.«
»Aber woher weiß ich, dass ihr Schicksal nicht verändert werden sollte?«, fragte Emily. Sie verzweifelte fast an diesem Gedanken, den sie nicht zu fassen bekam, seit Matt ihr zum ersten Mal gesagt hatte, sie seien nicht hier, um die Zukunft ihrer Eltern in eine andere Bahn zu lenken.
Warum nicht?
Warum denn nicht?
Und ihre Mutter – sie hatte Emily fortgeschickt. Hatte die Autotür hinter sich zugeschlagen, um sich ihrer eigenen Bestimmung zu fügen.
Geh und rette ihn. Das waren ihre Abschiedsworte gewesen.
Und Emily war gegangen.
»Liebes.« Rose strich noch einmal über Emilys Wange, dann ließ sie die Hand sinken. »Ich weiß nicht, warum sie sterben musste«, sagte sie, »aber ich werde es wohl so sehen müssen – als das, was für sie vorgesehen war. Es war ihr
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