Verliebt in Hollyhill: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Jahr 1811 einen Fuß auf die Straße setzen.
Emily fand, sie sah aus wie eine Ente. Entschlossen griff sie nach den Bändern, die Silly unter ihrem Kinn zu einer Schleife gebunden hatte, zog sie auf und nahm die Haube ab. Wer weiß, ob ich überhaupt je wieder einen Fuß auf die Straße setzen werde, dachte sie und legte die Kappe neben sich auf die Bank.
Matt hatte nicht mit ihr gesprochen, seit er am Vorabend die Tür hinter sich zugeknallt hatte. Er hatte sie nicht angesehen, als er heute Morgen auf den Kutschbock gestiegen war. Er hatte nicht gehalten, um eine Pause zu machen, geschweige denn, um Emily eine Auszeit von dieser Ruckelei zu gönnen. Sie hatte Durst. Sie war genervt.
Es war, als wollte Matt sie durchrütteln bis ans Ende ihrer Tage.
»Du weißt nichts über ihn.«
Emily neigte den Kopf und sah Cullum mit schmalen Augen an. Er hatte seine Position nicht verändert, die Lider geschlossen, den Hut tief in die Stirn gezogen. Aber er war offensichtlich wach. Und er konnte offensichtlich Gedanken lesen. Emilys Augen weiteten sich. O Gott, dachte sie. Er kann es nicht wirklich, oder etwa doch?
»Über wen?«, fragte sie.
Cullum lächelte.
»Und du hast keine Ahnung, wozu er fähig ist.«
Die Räder der Kutsche ächzten, als sie durch ein tiefes Schlagloch schlingerten, und Emily sah durch das Fenster hinaus. Sie waren ewig unterwegs, aber sie schienen nicht wirklich voranzukommen. Wiesen, Hügel, vereinzelte Bäume. Die Landschaft hatte sich seit Stunden nicht verändert, zumindest kam es ihr so vor. Verwaschenes Grau, verwaschenes Grün. Darüber eine schwammige Schicht Niesel.
»Hör zu«, begann sie und richtete den Blick wieder auf Cullum, der seine Augen inzwischen geöffnet hatte und sie interessiert beobachtete. »Ich weiß wirklich nicht, was da läuft zwischen dir und Matt, und ich will es auch nicht wissen. Also verschon mich mit deinen … mit deinen Ratschlägen und lass mich in Frieden.«
»Aber das war kein Ratschlag«, erklärte Cullum, während er sich den Hut aus dem Gesicht schnippte und Emily ansah. »Nur ein kleiner Hinweis.«
»Hm-hm.«
»Hmmmm.« Er legte den Kopf schief, während er Emily unverhohlen betrachtete, dann nahm er seinen Zylinder ab, ließ ihn wie ein Jongleur einige Male zwischen Handgelenk und Oberarm hin und her hüpfen, bevor er ihn schließlich neben sich legte. Seine blonden Haare, die er im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden hatte, waren zerzaust und seine Augen beunruhigender denn je. Emily hätte gern gewusst, was er dachte, während sie versuchte, Cullums Blick standzuhalten, oder vielleicht wollte sie es lieber doch nicht wissen. Denn was immer es auch war, es würde ihr Angst machen, tief in ihrem Inneren fühlte sie das.
»Wie gut hast du ihn kennengelernt, deinen Matt?«
»Er ist nicht mein Matt «, antwortete Emily sofort.
Cullum lachte. »Ah, natürlich nicht! Ihr seid nur Freunde. Also, wie gut?«
Emily seufzte. Statt zu antworten, fragte sie: »Müssten wir nicht allmählich mal ankommen? Es fühlt sich an, als wären wir schon Tage unterwegs.«
Cullum sagte nichts. Er schlug ein Bein über das andere und faltete die Hände im Schoß. Er starrte Emily an, mit schmalen Augen, und Emily starrte zurück. Dann beugte er sich urplötzlich vor, seine Hand schnellte in Richtung von Emilys Ohr, und bevor sie auch nur zusammenzucken konnte, hatte er etwas aus ihren Haaren gezogen.
Eine Münze.
Er legte sie flach in seine Hand und streckte sie Emily hin. Diese rührte sich nicht.
»Ich mag ihn, deinen Matt«, erklärte Cullum und strich mit dem Daumen über die glänzende Oberfläche des Goldstücks. »Ich meine, wir kennen uns seit zig Jahren und wir kommen gut miteinander klar.« Er lachte leise. »Meistens«, fügte er hinzu. »Er hat viel durchgemacht. Musste ziemlich herbe Verluste hinnehmen, wie so einige andere von uns auch.«
Ja, dachte Emily bitter, so kann man es auch ausdrücken. Ein herber Verlust, seine Eltern zu verlieren, zumal, wenn sie erschossen werden.
Sie drehte das Gesicht zum Fenster und versuchte, ihren Ärger herunterzuschlucken.
»Es wird gar nicht richtig hell da draußen«, sagte sie.
Was Cullum ignorierte. »Alles, was ich sage«, sagte er, »ist, dass jede Münze zwei Seiten hat. Und nicht jede ist golden und glänzt.« Er wartete, bis Emily den Blick vom Fenster ab- und ihm wieder zuwandte, dann tippte er das Geldstück in seiner Handfläche mit dem Daumen an und auf die andere Seite. Die schwarz war,
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