Verliebt in Hollyhill: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
drehte er sich zu ihr um.
»Da bist du ja endlich«, sagte er leise. »Ich warte hier schon gefühlte zwei Stunden.«
»Ich habe doch geschrieben, nach dem Dinner, nach dem Abwasch, wenn alles erledigt ist, also gegen neun Uhr.«
Matt hob die Hand und Emily den zerknitterten Zettel unter die Nase, den sie ihm zugesteckt hatte. »Zeig mir, wo hier eine Uhrzeit steht«, forderte er sie auf, und Emily warf einen Blick auf ihre eigenen Zeilen. Sie zog das Blatt näher zu sich heran, um im Mondlicht überhaupt etwas zu erkennen, und Matt begann zu lachen.
»Ähm«, machte sie. »Hier?« Sie sah ihn fragend an. »Okay, es ist nicht leicht zu entziffern. Hast du schon mal mit Feder und Tinte geschrieben?«
»Schon öfter«, sagte er. »Man braucht Gefühl dafür.«
»Haha.« Emily faltete das Papier zusammen und steckte es in ihre Tasche. Es konnte doch unmöglich sein, dass sie nervös wurde, bloß weil Matt das Wort Gefühl erwähnt hatte.
»Warum ich dich sprechen wollte«, setzte sie an, doch Matt unterbrach sie.
»Nicht hier«, sagte er und nahm ihre Hand. »Komm mit.«
Er führte sie am linken Rand des kleinen Walds entlang und dann ein Stück hinein, auf einem sehr gepflegten Weg allerdings, der sich sanft nach oben schlängelte, und keine fünf Minuten später hatten sie ihr Ziel erreicht: eine Lichtung und darauf ein kreisrunder Pavillon, dessen mintgrüne Farbe sich frisch und freundlich gegen das Dunkelgrün der Bäume abhob.
Matt hielt Emily die Tür auf.
»Es ist ein bisschen staubig«, sagte er, »ich glaube nicht, dass in letzter Zeit jemand hier gewesen ist. So wird uns auf jeden Fall niemand belauschen.«
Emily sah sich in dem Raum um. Er war rund und auch innen grün, und etwa die Hälfte der Wände war aus Glas, die den Blick auf den See freigaben, in dem sich klar und ruhig das Mondlicht spiegelte. Gegenüber der Fensterfront stand ein Sofa, auf dem Decken ausgebreitet waren, und dahinter eine Staffelei, an der verhüllte Bilder lehnten, wie auch an der gesamten Rückwand des Häuschens.
Emily ging auf die Gemälde zu und entfernte eines der Laken. Das Bild zeigte den alten Mr. Wakefield an einem Fenster lehnend, hier in diesem Pavillon, den funkelnden See hinter sich. Er posierte mit einer Pfeife in der Hand und einem Lächeln auf den Lippen und sah um Jahre jünger aus. Und glücklicher.
Das nächste Bild zeigte Milly. Sie saß im Gras, ihre Skizzenmappe auf dem Schoß, und war versunken in den Anblick eines Fohlens, das vor ihr auf der Wiese graste.
Emily seufzte. »Sie kam zum Malen her, vermute ich«, sagte sie. »Millys Mutter. Womöglich war niemand mehr hier seit ihrem Tod.« Sie ließ die Stoffe zurück über die Rahmen gleiten, behutsam, und drehte sich zu Matt um. »Sie ist in den See gegangen«, erklärte sie. »Es war kein ›mysteriöses Verschwinden‹, wie Pfarrer Harry ursprünglich vermutet hatte. Sie hatte Depressionen.«
Sie erzählte Matt von dem Gespräch zwischen Vater und Sohn, das sie belauscht hatte, und von Milly, die wegen der Kaltherzigkeit ihrer großen Schwester in Tränen ausgebrochen war.
»Unter anderem ging es bei dem Streit um ein Collier«, sagte Emily. »Und deshalb wollte ich dich sprechen.«
Matt nickte. »Hier«, sagte er und hielt ihr eine der Decken hin.
Emily wickelte sich darin ein, und dann setzte sie sich aufs Sofa – sie rechts, Matt links – mit dem Rücken an die Armlehne gestützt, die Beine bis unters Kinn gezogen, den Körper ihm zugewandt. Es war so eisig in diesem Raum. Emily konnte den Atem vor ihrem Gesicht sehen.
»Diese Kette«, begann sie, »ist anscheinend ziemlich wertvoll und wird der ersten Tochter bei ihrer Heirat überreicht. Mr. Wakefield hält sie an einem sicheren Ort versteckt, morgen will er sie Mary Wakefield zur Anprobe überreichen.«
»Wo bewahrt er sie auf?«, fragte Matt.
Emily zuckte mit den Schultern. »Das hat er offenbar nicht einmal seinen Kindern erzählt«, sagte sie, »was ziemlich merkwürdig ist, wenn ich es mir recht überlege.« Sie runzelte die Stirn. »Ob es etwas damit zu tun hat, dass Margaret nicht möchte, dass ihre Schwester Mary die Kette bekommt? Milly sagte so etwas. Es scheint, als habe Margaret ein besonderes Verhältnis zu ihrer Mutter gehabt – für sie hat diese Kette eine Bedeutung, die über den eigentlichen Wert hinausgeht. Lady Joyce hat sie angeblich immer getragen – immer, bis auf diesen einen Tag, an dem sie in den See gegangen ist.«
Matts Augen verengten sich nur
Weitere Kostenlose Bücher